Die unheimlichen Ökologen

Balthasar Glättli, Nationalrat der Grünen diskutierte im Palace über sein neues Buch, die ökologische Bewegung und die Initiative Ecopop.
Von  Rolf Bossart

Die sozialistische Bewegung hat eine schwierige Geschichte. Ihr Überleben hängt entscheidend von einer gelungenen Selbstkritik ab, und sie hat daher auch bereits eine vielfältige Erinnerungskultur entfaltet. Die Grüne Bewegung dagegen ist jung, die Geschichte ihrer politischen Untaten folglich noch nicht sehr bedrückend. Gleichwohl werfen Balthasar Glättli und Pierre Alain Niklaus im Buch «Die unheimlichen Ökologen» einen selbstkritischen Blick auf die Geschichte der Grünen, in dessen Fokus die Kritik der Anfänge steht. Am Mittwochabend stellte Glättli das Buch im Palace vor und diskutierte seine Thesen.

glaettliKatastrophenangst, Wachstumskritik, Naturträume

Wer verstehen will, warum die Liebe zur Natur sich in der Ende November zur Abstimmung anstehenden Ecopop-Initiative quasi natürlich mit einer Bevölkerungspolitik paart, die Fremdenfeindlichkeit und Neokolonialismus im Gepäck hat, wird fündig am Ursprung der neuen Umweltschutz-Diskurse ab den 60er Jahren. Diese sind erstens geprägt von einer ständigen Heraufbeschwörung von Gefahren und der Androhung von Katastrophen, zweitens einer kritischen Betrachtung des Wachstums und drittens einer Sehnsucht nach der Rückkehr in eine unversehrte Natur.

An diesen drei Punkten kann man festmachen, inwiefern die Grüne Bewegung in den Anfängen angstbesetzt ist und ihr ein positives Projekt fehlt. Und wo man nicht weiss, was genau man eigentlich haben möchte, ist der Neid als politische Triebfeder des Handelns nicht weit. So versuchen auch Glättli und Niklaus zum Schluss in ihrem Buch zu Recht, die Grüne Bewegung über eine positive Zukunftserwartung zu definieren.

Vor allem das erste und dritte Gründungsparadigma haben fatale Effekte zur Folge. Wer sich nur Gehör verschafft, in dem er Katstrophen androht, kommt in die schwierige Lage, dass er, um Recht zu haben, wünschen muss, was er vorgibt, verhindern zu wollen. Das heisst, die Versuchung ist gross, die Zahlen und Fakten zu dramatisieren, immer neue Sünden und Sünder auszumachen.

Am erfolgreichsten in dieser Hinsicht erweist sich in einer kapitalistischen Gesellschaft die Knappheitshysterie: Von allem hat es zu wenig und überall zu viele, die das Wenige wollen. Umweltschutz heisst dann plötzlich Schutz der massvollen Umweltschützer im Inland vor den masslosen Umweltverschmutzern aus dem Ausland.

Die Sehnsucht nach einem harmonischen Ursprung im Schosse der Natur führt zweitens dazu, dass alles, was nach Fortschritt tönt, nur als Irrweg angesehen werden kann. Heil liegt nur in der Rückkehr. Die Katstrophenfalle verleitet zu überstürzten und drastischen Massnahmen und der Weg der Rückkehr hat es an sich, dass man überall, wo man glaubte schon drüber hinweg zu sein, wieder vorbeikommt: bei eugenischen, rassistischen, kolonialen Phantasien.

Auch wenn die Initiantinnen und Initianten von Ecopop sich solches nicht unterstellen lassen wollen, müssen sie sich die Frage gefallen lassen, warum sie denn die angestrebte Reduktion der Bevölkerung nur auf die Zuwanderung beschränken wollen. Glättli vermutet als einen möglichen Grund eine gewisse Abstimmungstaktik. Nur in der Allianz mit klassischen Fremdenfeinden hat die ökologisch begründete Bevölkerungsreduktion eine Chance.

glaettli2Hehre Absichten, fatale Folgen

Und doch hat Ecopop lautere Absichten, verspricht eine ökologische Grosstat, die redlicher rechnet als die Grünliberalen, deren «saubere» Energiewende unter den Vorzeichen des Turboneoliberalimus dabei ist, die rohstoffreichen Länder in Kampfarenen zu verwandeln. Das heisst, die Verführungskraft für Leute, denen die Heimat, wie sie sie aus der Kindheit kennen, lieb ist, die unter Lärm und Dichtestress leiden oder darunter, dass alle ihre verzichtbasierten Anstrengungen eines ökologisch bewussten Lebens durch Einwanderung von weniger umweltbewussten Ausländern zunichte gemacht werden, ist nicht eben klein. Das heisst: Auch in der Grünen Partei waren nicht wenige Sympathien dafür zu erwarten.

Wie aber hat es die Grüne Partei geschafft, sich derart klar gegen diese Initiative zu positionieren? Glättli, selber unermüdlicher Wanderprediger in dieser Sache und durch sein hohes Engagement für die Flüchtlingsbewegung sicher eine wichtige Figur in diesem Prozess, bleibt bescheiden und verweist auf die Wachsamkeit der Präsidentin der Grünen Partei Regula Rytz. Diese habe nach dem Masseneinwanderungs-Abstimmungsschock vom 9. Februar sofort Position bezogen und zur Demo aufgerufen für eine Schweiz gegen fremdenfeindliche Tendenzen – mit einer unmissverständlichen Abgrenzung gegen Ecopop.

Dies hatte zur Folge, dass jene Kreise innerhalb der Grünen, die Ecopop freundlich gesinnt waren, sich über dieses selbstherrliche präsidiale Vorgehen empörten, was den Nebeneffekt hatte, dass man jetzt jene kannte, die mit der Initiative sympathisierten, und man sofort einen intensiven Diskussionsprozess mit ihnen einleiten konnte. Aber auch der ehemalige Präsident Ueli Leuenberger habe bereits früh die Weichen gegen Ecopop gestellt.