Die Stunde Null nach Barnetta

Die Macherinnen und Macher des St.Galler Fussballmagazins SENF denken multimedial: Dem soeben erschienenen, elften Heft mit dem Titelthema «Legenden» liegt ein Quartett mit 44 legendären FCSG-Spielern bei.
Beim Durchschauen kommen Erinnerungen auf: Abwehrturm Koubsky, der polternde Goalie Stiel, der kurz und hell leuchtende Stern Amoah und natürlich der spätere Weltstar Zamorano. Viele zumindest mir Unbekannte sind auch darunter: Wer sind Herbert Stöckl (Aktivzeit 1975-1980, cooler Schnauz), C. C. Bryan (1901-04, ein Meistertitel) oder Ladislav Jurkemik (1984-88)?
Wie es sich für ein Quartett gehört, sind die Daten der Spieler wie die Anzahl Saisons und Spiele für den FCSG, die Anzahl Tore und der Torkoeffizient aufgelistet. Das Battle auf dem Pausenplatz oder im Fanlokal kann also losgehen.
Nachdem Senf in den vergangenen Ausgaben mit einem Espenmoos-Bastelbogen oder einer Fussballsong-CD überrascht hat, setzt das Legendenquartett das Konzept eines Bonus zum Heft konsequent fort. Und weil Senf auch immer schön gestaltet ist, wurden für das Quartett nicht Passfotos, sondern von verschiedenen Illustratoren erstellte Porträts verwendet.
Familientreffen mit den Barnettas
Daneben muss sich auch der Inhalt nicht verstecken. Das Highlight ist ein Interview mit der jüngsten FCSG-Legende Tranquillo Barnetta, der im Trio mit Vater «Willo» und Bruder Alessandro Auskunft über das Leben nach der Karriere gibt und über sein Leben als Fussballer sinniert. Die Barnettas geben sich offen und machen klar, dass die Familienbande auch während «Quillos» Jahren im Ausland immer stark geblieben sind.
Daneben gibts im Heft eine Rückschau auf den einzigen Cupsieg des FC St.Gallen (Saison 1968/69), garniert mit schönen historischen Bildern. Ausserdem wird in einem Text darüber spekuliert, wer wohl dereinst nach «Quillo» St.Gallens neue Legende werden kann.
Kandidaten laut Text: Leonidas Stergiou, der sich derzeit als 17-jähriger Verteidiger beim FCSG bewährt, der Rheintaler Nicolas Lüchinger oder Silvan Hefti – alles Spieler aus dem FCSG-Nachwuchs. «Die Nähe zur Region begünstigt den Legendenstatus», heisst es im Heft. Denn: Als Barnetta von Rotmonten nach Deutschland aufbrach, «da brach ein Teil von uns auch auf».
Weiter porträtiert ein Text die St.Galler Anti-Legende David Callà: «Von der Zukunftshoffnung zum Judas», so der etwas reisserische Titel. Damit wird klar: Senf ist auch ein Heft von FCSG-Fans, und die sehen beim Thema Callà, der 2008 nach dem Abstieg zu GC wechselte, eben immer noch rot. Dabei ist der Text journalistisch sauber gemacht: Er zeichnet verschiedene Stationen von Callàs Karriere nach und hätte dem Spieler auch die Gelegenheit eingeräumt, seine Sicht der Dinge darzulegen – was Callà, aktuell beim FC Winterthur, ablehnte.
Freundlich, fast zärtlich, wird hingegen über den tragischen Held der vergangenen Saison geschrieben: Der Langzeitverletzte Cedric Itten, der sich im Auswärtsspiel gegen Basel eindrucksvoll zurückgemeldet hat. Ebenfalls für Fussballfreaks geschrieben ist die schonungslose Abrechnung mit der FCSG-Zeit seit dem Meistertitel 2000. Fazit: «Aufwärts ging es nicht, der FCSG bleibt der ‹Club Übergangssaison›.»
Das nächste Gadget
Übrigens hat sich Senf ein Update verpasst: Die Gestaltung wurde leicht überarbeitet, vor allem aber sind die Artikel nun auch mit Autorennamen gekennzeichnet. Für die Leserinnen und Leser, die die Autoren und deren Spezialgebiete teils kennen und schätzen, ein wertvoller Mehrwert.
Was bleibt: Senf wird von einem Kollektiv ehrenamtlich und inseratefrei produziert. Und gespannt auf die nächste Ausgabe inklusive Gadget kann man sowieso sein.