Die Sprossen und die Neuen Medien

Wenn plötzlich niemand mehr Gurken oder Sprossen isst: 2011 passierte das aus Angst vor dem EHEC-Erreger. Am 2. Ostschweizer Food Forum in Weinfelden diskutierte die Branche über Krisenmanagement im Nahrungsmittelsektor und die Rolle der Medien.
Von  Harry Rosenbaum

Barbara Wartenweiler von der Sprossana AG im thurgauischen Friltschen erinnert sich lebhaft an das Schicksalsjahr 2011, als in Norddeutschland die EHEC-Epidemie ausbrach und 53 Menschen das Leben kostete. Der Krankheitserreger wurde vor allem durch Salat, Gurken und Tomaten übertragen. Als wahrscheinliche Quelle wurden aus Ägypten importierte Bockshornkleesamen vermutet. Der Sachverhalt ist jedoch nie vollständig aufgeklärt worden.

Obwohl es in der Schweiz keine Erkrankungen gab, kolportierten die Medien auch hierzulande die «Sprossenseuche» als Ursache der tödlichen Erkrankung. Die Sprossana AG produziert qualitativ hochstehende Bio-Sprossenprodukte. «Wir büssten augenblicklich 50 Prozent des Umsatzes ein», sagte Barbara Wartenweiler. Der Betrieb stand vor dem Aus.

Transparenz schaffen

Auf Krisen lässt sich kaum mehr in Echtzeit reagieren. «Durch die Sozialen Medien sind die Vorlaufzeiten sehr viel kürzer geworden», gab Kommunikationsfachmann Thomas Hutter in der Podiumsdiskussion zu bedenken. «Vielfach hinken die klassischen Medien einfach hinterher.» Berufskollege Franco Gullotti bestätigte, «dass die klassischen Medien in der Regel eine Nachricht überprüfen, bevor sie sie verbreiten.» Über die Neuen Medien würden hingegen vielfach auch eindeutige Falschmeldungen weiterverbreitet.

Krisenmanagement gilt heute somit für alle Medienkanäle. Es müsse vor allem dort reagiert werden, wo die meisten Menschen erreicht würden. Besonders wichtig für ein erfolgreiches Krisenmanagement sei Transparenz: Wenn es um die Ernährungssicherheit gehe, dürfe nichts verheimlicht werden.

Food Forum 1Fehlender Produkteschutz

Die Lebensmittel- und Kommunikationsfachleute konnten aber kein klares Modell aufzeigen, wie ein zeitgemässes Krisenmanagement medial ablaufen soll. Jörg A. Löpfe von der SwissTS Technical Services AG in Wallisellen sagte, dass es heute noch keine Normen im Lebensmittelbereich gebe, um die Gesundheit auch wirklich zu gewährleisten. Aus den USA komme beispielsweise der Begriff «Food Defense». Dabei geht es um den Produkteschutz vor absichtlicher Verfälschung mit biologischen, chemischen, physikalischen oder radiologischen Substanzen. In der Schweiz sei das Thema Lebensmittelsabotage lange Zeit sehr skeptisch aufgenommen worden. Erst jetzt werde ernsthafter mit diesem Problem umgegangen.

Der lange Produkteweg vom Produzenten über den Grossverteiler bis zum Konsumenten bedeutet heute ein erhöhtes Risiko. «Es gibt noch zu wenig Mittel, um die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten», betonte Löpfe mit Blick auf allfällige terroristische Anschläge und erpresserische Sabotage. Ein wirkungsvolles Rezept dagegen fehlt bisher.