Grün lassen

In einer interdisziplinären Studienwoche haben sich Studierende der Fachhochschule Ost mit dem St.Galler Quartier Tschudiwies-Ruckhalde befasst. Die Mehrheit der Analysen aus sozialwissenschaftlicher, architektonischer und ökonomischer Sicht kam zum Schluss, dass die Ruckhalde vorerst besser nicht überbaut werde.
Von  René Hornung

Die Ruckhalde, der Hang an dem früher die Appenzellerbahnen über Europas steilste und engste Zahnradkurve den Berg hinauf quietschte, ist demnächst zur Überbauung parat. Zentrumsnah und gut erschlossen ist sie ein Filetstück für Investoren.

Vor einem Jahr haben sich aber als erste die Genossenschaften mit der IG Ruckhalde gemeldet. Hier könnte ein verkehrsfreies oder mindestens verkehrsarmes Quartier mit bis zu 400 Wohnungen entstehen: gemeinnütziger Wohnungsbau, sozial gut durchmischt, begrünt, nachhaltig gebaut.

Bild: IG Ruckhalde

Vor wenigen Tagen dann stellte sich die IG Zukunft Ruckhalde mit ähnlichen Aussagen vor. Sie will hier aber ein Investment tätigen, das sich lohnt. Was die Genossenschaften vorschlagen führe zum «Renditeversagen» – so die Kritik der Baulobby.

Zusätzlich gibt es auf dem Areal zwei Grundstückbesitzer, die – das haben die Studierenden in Gesprächen herausgefunden – am liebsten selber bauen würden.

Fast 1000 leere Wohnungen

Doch soll die Ruckhalde überhaupt bebaut werden? Die Mehrheit der studentischen Gruppen fand, das sei bis auf Weiteres nicht nötig und sinnvoll. Begründet wurde dies vor allem mit dem hohen Leerwohnungsbestand in der Stadt. Fast 1000 Wohnungen, fast drei Prozent des Bestandes, sind zurzeit unbewohnt.

Besser wäre es deshalb, die Liegenschaftsbesitzer, die ihre Wohnungen nicht vermieten können, zu beraten. Ihnen Renovations- oder Lärmschutzmöglichkeiten aufzuzeigen, denn viele der leeren Wohnungen verfügen über keinen zeitgemässen Standard, viele liegen an den lärmigen Hauptachsen. Ausserdem gebe es im Stadtzentrum noch freie Areale, die man vor der Ruckhalde überbauen sollte, meinten die Studierenden. Sie erwähnten die Gebiete Bahnhof Nord und den Güterbahnhof.

Statt zu überbauen, könnten man den Ruckhaldenhang der Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Familiengärten bilden bereits einen idealen Erholungsraum, das ehemalige Bahntrassee sei ein idealer Spazierweg mit Aussicht. Im Hang gibt es Plätze an denen Vogelgezwitscher und Kuhglocken aber kein Verkehrslärm zu hören ist. Das Areal eigne sich so auch zur Vernetzung bestehender Quartiere.

Die Planungsansätze kombinieren

Sollte es trotzdem zu einer Überbauung kommen, schlugen die Studierenden eine Mischung aus den von den beiden IGs vorgeschlagenen unterschiedlichen Planungsansätzen vor: Nicht einfach einen Gesamtleistungswettbewerb ausschreiben, aber auch nicht zu basisdemokratisch alle Aspekte unendlich lange durchkauen, sondern die beiden Planungsansätze kombinieren.

Ob all das in der Politik Realität werden kann? Die Studierenden äusserten sich dazu bewusst nicht. Die Diskussionen um die Ruckhalde seien bereits jetzt sehr verpolitisiert, stellten sie fest. Ihre Aufgabe war es deshalb, ein paar Schritte zurückzutreten und die Ausgangslage grundsätzlich anzuschauen.

Dass die dabei entstandenen Analysen unvollständig bleiben, liegt einerseits an der kurzen Bearbeitungszeit und andererseits müssen und können Studierende nicht schon alle Aspekte einer komplexen Quartierentwicklung kennen.