Die Platte isch besser
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Es beginnt mit Shimmer-Gitarren, einer polyrhythmischen Bassline, sphärischen Synthesizer-Klängen sowie einem treibenden Hi-Hat und Kickdrum. Bereits bei den ersten Worten «Lüt uf Fotene / i mine Albe / verschwumme» lässt sich erahnen, dass Manuel Stahlberger diesmal etwas gelungen sein könnte, was er bei einem Glas Wein bereits im Jahr 2004 nach einem Konzert von Mölä & Stahli in Kreuzlingen zwei jungen Musikenthusiasten erzählte. Er sprach damals davon, dass es doch möglich sein müsse, Mundartlieder mit Wortwitz und Unterhaltungswert zu schreiben, die gleichzeitig an Drive und Eindringlichkeit den angelsächsischen Vorbildern in nichts nachstünden.
Über die letzten Jahre ist nun mit Stahlberger eine Band herangewachsen, die das Zeug hat, diesen frühen Wunsch des Liedermachers zu erfüllen. Nichts gegen das Kleinkunst-Publikum, nichts gegen Liedermacher-Duos, aber hier ist eine Band, die zwar Stahlberger heisst, aber längst weit mehr ist als eine blosse Begleitband in einem Musikkabarett.
E Fiile / Imene Brot
Nicht dass wir uns falsch verstehen, auf Lüt uf Fotene gibt es sehr poetische Stellen, die durchaus auf textlicher Ebene funktionieren und Elemente der Liedermacher- und Kabarett-Tradition in sich tragen. Wenn Stahlberger etwa im Song Hei zu dir singt «Gfange mit zehni / Ha mi dure kämpft / Gfange mit zwanzgi / Ha mi dure kämpft / Gfange mit drissgi / Ha mir vorgstellt i wär tot / Aber du häsch mir e Fiile gschickt / Imene Brot», so findet sich auch heute noch der typische Aberwitz und Tiefsinn, für den Stahlberger geschätzt wird.
Aber die Musik weist diesmal darüber hinaus. Alles wirkt ein Stück direkter, ehrlicher und vor allem angenehm reduziert. Die Musik hat Platz, die Worte hallen darin nach, bekommen ein musikalisches Eigenleben, welches über das inhaltliche Hören zum verzauberten Lauschen einlädt.
Stahlberger: Lüt uf Fotene, erscheint am 11. März
Album-Doppeltaufe ist am 14. und 15. April im Palace St.Gallen
«Do bin i dehei / Do han i scho immer wöle wäg», beginnt Stahlberger den dritten Song, der genauso ohne Umschweife zündet. Im Song Hütte wird von einer Überschwemmung erzählt, welche langsam auch das letzte Refugium auf einem Berg einzunehmen droht. Dazu beschwört eine Tenorblockflöte andächtig und zynisch zugleich dieses Hirtenidyll. «I däre Stadt i dem Job / Mit däre Frau und dene Chind / I dem Huus mit dem Blick / Han i scho immer wöle sii / Aber hüt Morge im Lift / Han i plötzlich gmerkt / Da bi glaub gar nöd I», singt Stahlberger über eine Musik, bei der man sich sofort im Publikum eines überschwänglichen Konzertes sieht.
Heilig und absurd
Die Songs sind abwechslungsreich und gut platziert, sodass es über das gesamte Album nie wirklich abflaut. Dafür muss vor allem auch die Band und die Produktion gelobt werden. Im letzten Track kommt sogar noch ein Fretless Bass inklusive Octaver zum Zug, darüber die Worte «D Welt macht zue / Alles muss raus / Grüüsch und Farbe / Gääls, Grües, Blaus / Uf Gfühl und uf Düft / Git’s jetz 100 Prozent / Und uf alles wa me weiss / Und uf alles wa me kennt», und da wirkt plötzlich alles heilig und alles absurd zugleich; ein wunderbarer Gemütszustand!
Was die Band Stahlberger, welche nun definitiv ihren eigenen, unverwechselbaren Sound gefunden hat, ausmacht, ist, dass sich die Klangästhetik der anderen Projekte der Bandmitglieder nun in einer guten Balance finden.
Da ergänzen sich etwa die clubaffinen Basslines von Bit-Tuner mit der weihräuchernen Sinnlichkeit von Lord Kesseli and the Drums so gut, dass daraus nicht einfach ein Gemisch, sondern tatsächlich etwas Eigenständiges entsteht. Gut möglich, dass hier der Produzent Olaf Opal (u.a. The Notwist) mit der nötigen Distanz und dem Gehör fürs Ganze dem Album das gewisse Etwas verpassen konnte, was es zu dem macht, was es ist: ein Meilenstein in der Schweizer Musikgeschichte.