Die Kultur wählt in erster Linie Linksgrün
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Die Ergebnisse der kulturpolitischen Erhebung der IG Kultur Ost fördert an sich wenig Überraschendes zutage: In kulturpolitischen Fragen stimmten die SP und die Grünen im St.Galler Kantonsrat geschlossen im Sinne der Kultur, die SVP-Fraktion jeweils geschlossen dagegen.
Die GLP steht in der «Kulturverträglichkeitsprüfung» der IG an dritter Stelle, sie spricht sich zu zwei Drittel für kulturelle Anliegen aus. Bei der EVP gibt es einen 50-Prozent-Zustimmungsanteil. Weit abgeschlagen mit 15 respektive 11 Prozent Ja-Stimmen stehen die Fraktionen von FDP und Mitte.
Allerdings gibt es auch bei der EVP, der FDP und der Mitte Ausreisser. So stimmte der Frümsener Hans Oppliger (EVP) zweimal für und einmal gegen die Kultur. Isabel Schorer kann mit einem Ja-Anteil von 75 Prozent als kulturfreundlichste FDP-lerin bezeichnet werden. Und Mitte-Kantonsrat und Lichtensteiger Stadtpräsident Mathias Müller stimmt in kulturpolitischen Fragen als einziger Bürgerlicher jeweils konsequent mit Linksgrün.
Vor zwei Wochen schrieb die IG Kultur in einer Medienmitteilung, dass SP und Grüne sich zu hundert Prozent und proaktiv hinter die Kultur stellten. Und: «Im bürgerlichen Zentrum kommen neben den Grünliberalen die Freisinnigen ihrem einstigen Ruf als Kulturpartei näher als die kulturpolitisch auf dem Bremspedal stehende Mitte.»
Kantonsrat oft kulturfeindlich
Dieses Lob des Freisinns ist mittlerweile etwas verhallt. Ob eine Intervention von Links dafür verantwortlich ist oder anderer FDP-Mitglieder, die auch kulturfreundlich politisieren: Die auf Social-Medie-Kanälen der IG noch hervorgehobene Isabel Schorer figuriert nun nicht auf der Wahlempfehlungsliste der IG.
Wahlempfehlung der IG Kultur Ost
Wer Kultur will, macht mit einer Wahl einer SP- oder Grünenliste nichts falsch. Es gibt aber auch Exponent:innen anderer Parteien, die kulturfreundlich politisieren. Hier die offiziellen Wahlempfehlung der IG Kultur Ost für die Kantonsratswahlen vom 3. März:
• Wahlkreis St.Gallen: Alexandra Akeret, Jenny Heeb, Marco dal Molin, Peter Olibet, Moritz Rohner, Arno Tanner (alle SP), Nathalie Hubler, Barbara Ramel (Grüne), Claudius Krucker (GLP)
• Wahlkreis Rheintal: Christof Schlegel (SP)
• Wahlkreis Wil: Michael Sarbach (bisher), Claudia Rüegsegger, Sebastian Koller (alle Grüne)
• Wahlkreis Toggenburg: Martin Sailer (SP, bisher), Mathias Müller (Mitte, bisher)
Dort sind ausschliesslich jene Bisherigen und Kandidierenden genannt, die Mitglied der IG Kultur sind. Also in erster Linie aus dem linksgrünen Spektrum (siehe Infobox). Wohl erwähnt, aber nicht explizit zur Wahl empfohlen werden ausserdem Katrin Meier (FDP), die von 2008 bis 2021 das kantonale Kulturamt leitete, sowie Edi Hartmann (Grüne), ebenfalls lange Jahre beim Amt für Kultur und heute für die Klangwelt Toggenburg tätig.
Warum die Beschränkung der Wahlempfehlungen auf diese Personen? «Das hat auch praktische Gründe», so Peter Surber von der IG Kultur Ost. «Wenn wir es ganz genau wissen wollten, hätten wir alle 1000 Kandidierenden befragen müssen. Das wäre nicht realistisch gewesen.» Man sieht das auch an den Antworten der Parteien auf eine entsprechende Anfrage der IG. SP, Grüne, GLP und FDP reagierten offenbar mit mehr oder weniger ausführlichen Namenslisten jener Kandidierenden, die sich für kulturelle Anliegen einsetzen würden. Die Mitte verzichtete auf eine interne Umfrage, die EVP fand keine «dem Kulturprofil entsprechende Person». Die SVP antwortete erwartungsgemäss nicht auf die Umfrage.
Natürlich, so Peter Surber, sei die Erhebungsmethode nicht zu 100 Prozent repräsentativ, da in der vergangenen Legislatur und bis zur Durchführung der «Kulturverträglichkeitsprüfung» nur gerade vier für die Kultur relevante Themen debattiert worden seien. So war im Kantonsrat zweimal die finanzielle Deckelung der Covidbeiträge für Transformationsprojekte traktandiert, einmal die Aufhebung des Beschwerderechts für die Denkmalpflege und einmal eine grundsätzliche Erhöhung des kantonalen Kulturetats zugunsten der Veranstalter:innen, damit diese die Honorare und Löhne zumindest annähernd den Empfehlungen der Branchenverbände entsprechend anheben können. Um gerade mal 320’000 Franken ging es dabei. Doch wie in den drei anderen Abstimmungen stimmte der bürgerlich dominierte Kantonsrat gegen die Interessen der Kultur.
Die Regierung bewegt sich langsam
In der kommenden Legislatur stehe mit der neuen Kantonsbibliothek wieder mal ein «grösserer Brocken» an. Auch mit Veränderungen in der Förderpolitik, die unter anderem mehr auf den kreativen Prozess hinzielen will und nicht mehr nur auf das «Endergebnis» wie Aufführungen oder Ausstellungen, und weiteren Kulturthemen wird sich das Parlament auseinandersetzen müssen.
Mit der Einführung des Kulturprozents, das die Kantonsräte Martin Sailer (SP) und Mike Sarbach (Grüne) letzten September wieder aufs Tapet gebracht hatten, wäre eine Mindestquote von 1 Prozent für die Kultur im Budget festgeschrieben worden. Doch an solches mochten sich Regierung und Ratsmehrheit nicht binden lassen. Die Regierung anerkennt allerdings den finanziellen Nachholbedarf und stellte in Aussicht, im Rahmen des Aufgaben- und Finanzplans 2025–27 das Kulturbudget um exakt 563’700 Franken gegenüber dem Budget 2024 zu erhöhen. Damit «Angebotserweiterungen, Digitalisierungsprojekte und allgemeine Kostensteigerungen von Institutionen» abgegolten werden können, wie die Regierung schreibt.
Da scheint sich also doch langsam etwas zu bewegen in der St.Galler Kulturpolitik. «Die IG Kultur Ost will auch künftig genau hinschauen, wer im Parlament kulturförderlich politisiert und wer nicht», sagt Peter Surber.
Für alle, dies noch nicht getan haben: Nun aber husch an die Urne!