Die Hohepriesterin des Voodoo-Rock

Die haitianische Sängerin Moonlight Benjamin spielt mit ihrer Band am Freitag in der Grabenhalle St.Gallen. Musikalisch mischen sie energetischen Blues Rock mit karibischen Farbtupfern.
Von  Roman Hertler

Ihre Stimme ist erdig und bewegt sich vorwiegend in den tieferen Tonlagen. Für gewöhnlich tritt sie in schwarzen, barock verzierten Gewändern auf, was ihre eindrückliche Bühnenpräsenz als «Priesterin des Voodoo Rock» zusätzlich unterstreicht. «Benjamin klingt aufregend, nachdenklich und manchmal wahrhaftig unheimlich», schrieb der «Guardian» 2018 nach Erscheinen ihres dritten Soloalbums, bezeichnete den Titeltrack Siltane als «einen der Songs des Jahres» und die Sängerin als «karibische Patti Smith».

Moonlight Benjamin: 13. Mai, Grabenhalle St.Gallen

grabenhalle.ch

Für Rock interessierte sie sich vor ein paar Jahren allerdings noch kaum. Ihre musikalischen Wurzeln liegen im Gospel und in der Kirchenmusik. 1971 in Port-au-Prince geboren, wuchs Moonlight Benjamin in einem christlichen Waisenhaus in Haiti auf. Moonlight ist kein Künstlername: Der Pfarrer, der sie adoptiert hatte, nachdem die Mutter bei der Geburt gestorben war, taufte sie so.

Die Suche nach dem eigenen Sound

Im rein katholischen Umfeld verfestigte sich ihr Gefühl, nicht sie selber zu sein. Erst in ihren späten Teenager-Jahren begann sie, sich mit ihren haitianisch-kreolischen Wurzeln und den Voodoo-Traditionen ihrer Heimat auseinanderzusetzen. Bald wandte sie sich von den Kirchenliedern ab und begab sich auf die Suche nach ihrem eigenen Sound.

Ihre musikalische Heimat wurde der Jazz. Nach einigen Projekten mit diversen haitianischen Künstler:innen übersiedelte Benjamin 2002 nach Toulouse. 2009 wurde sie zur Voodoo-Priesterin initiiert. Ein Jahr später startete sie nach diversen Bandprojekten in Frankreich, wo sie bis heute lebt, ihre Solokarriere.

Musik, Kultur und Geschichte Haitis in Europa zu vermitteln war ihr innerhalb ihrer musikalischen Projekte immer ein Anliegen. «Ich singe noch immer über meine Heimat, ihren Stolz, ihre sozio-kulturellen Probleme und die Liebe, die ich für sie empfinde», sagt Benjamin in einem Interview. Seit 2013 arbeitet sie nebst ihren eigenen Projekten auch oft mit Saxofonist Jacques Schart-Bart und Pianist Omar Sosa zusammen, so etwa bei den Projekten Jazz Racine Haiti, Trio Jazz Voodoo oder Creole Spirit.

Auf ihrem ersten Soloalbum Mouvman (2011) klingt Moonlight Benjamin noch zurückhaltend, teils melancholisch, nur begleitet von karibisch gezupften Akustikgitarren und feinen Percussions. Das änderte sich ab 2017, als sie den Gitarristen Matthias Pascaud kennenlernte. «Vor ein paar Jahren entschied ich, mich musikalisch zu verändern, und Matthias lenkte mich in die richtige Richtung», erzählte sie 2020 dem Londoner Magazin «Songlines».

Niemand bleibt unberührt

Obwohl Pascaud ebenfalls im Jazz verwurzelt ist, entwickelte er für Moonlight Benjamin die Vision des karibisch verzierten Blues Rock. Eine Mischung, die erstaunlich gut funktioniert, auch wenn die Anlehnung an die Musik der 1970er-Jahre, die Pascauds Jugend begleitete, stellenweise etwas gar offen zu Tage liegt.

Die grundsoliden Riffs fusionieren mit dem teils kreolischen, teils französischen Gesang zu etwas Neuem, das niemanden unberührt lässt. So gelingt sogar das Zeppelin-Cover Immigrant Song, das die Band des Öfteren live spielt.

Mit dem aktuellen Album Simido (2020), das nochmals eine Spur rockiger daherkommt als sein Vorgänger und das ausschliesslich auf Kreolisch eingesungen wurde, treten die Voodoo-Einflüsse und die gebetsgesangsartigen Einlagen zwar vermehrt in den Hintergrund. Die Seele sei aber in den Melodien und Texten, die sie allesamt selber schreibt, immer noch da, versichert Benjamin.

Konzert-Kritiker:innen berichten von «mitreissenden Spektakeln». Mit dem Engagement von Moonlight Benjamin in der Grabenhalle ist den Veranstaltern Bruchteil und Afrikaribik wieder einmal ein Coup gelungen. Das weckt Vorfreude auf den Musiksommer ’22.