Die hohe Schule des Stolperns und Strauchelns

Die St. Gal­ler Dance Com­pa­ny geht auf Tour. Sie führt die 13 Tän­zer:in­nen un­ter an­de­rem nach Gos­sau, Ag­no und Mor­ges. Die Mi­gros fei­ert 2025 ihr 100-jäh­ri­ges Ju­bi­lä­um. Mit dem Dop­pel­abend Bey­ond Dance reist die Tanz­trup­pe des Thea­ter St.Gal­len als Teil der «Mer­ci Tour» im «Das Zelt» durch zehn Städ­te in der gan­zen Schweiz.

«Wir freu­en uns dar­über, dem Tanz ei­ne grös­se­re Sicht­bar­keit zu ge­ben», sag­te Li­sa Leo­pold, Tanz-Dra­ma­tur­gin am Thea­ter St.Gal­len, vor ei­ner Auf­füh­rung in der St.Gal­ler Lok­re­mi­se. Es sei auch ei­ne gu­te Mög­lich­keit, mit zeit­ge­nös­si­schem Tanz ein an­de­res Pu­bli­kum zu er­rei­chen. Der Er­folg die­ses «Dou­ble Bill» lässt sich be­reits mes­sen – das In­ter­es­se ist rie­sig. Fast al­le Vor­stel­lun­gen sind aus­ver­kauft.

Shech­ter zum Zwei­ten

Der Dop­pel­abend ver­eint ei­ne gros­se Band­brei­te. Fan­tai­sie mi­neu­re vom fran­zö­si­schen Cho­reo­gra­fen Yo­ann Bour­geois spielt zu­erst sanft mit der Schwer­kraft und ver­mit­telt das Ge­fühl von kind­li­cher Leich­tig­keit, wie man sie beim Schau­keln ver­spürt. Mit Con­tem­po­ra­ry Dance 2.0 taucht die Tanz­kom­pa­nie St. Gal­len da­nach noch­mals in die pul­sie­ren­de Welt von Ho­fesh Shech­ter ein. Der is­rae­li­sche Cho­reo­graf schickt die Tän­zer:in­nen an­ge­trie­ben vom pu­ren Rausch der Be­we­gung auf ei­nen wil­den und schweiss­trei­ben­den Ra­ve.

Die Tän­ze­rin­nen und Tän­zer er­kun­den im ers­ten Teil des Abends Neu­land. Yo­ann Bour­geois hat mit dem En­sem­ble in ei­nem zwei­wö­chi­gen Work­shop sei­ne be­son­de­re Tech­nik auf dem Tram­po­lin er­ar­bei­tet. Mit ei­ner Mi­schung aus Akro­ba­tik und Tanz ist der Künst­ler des Nou­veau Cir­que enorm er­folg­reich. Der Zir­kus­ar­tist, der das poe­ti­sche Spiel mit der Schwer­kraft ze­le­briert, cho­reo­gra­fier­te auch schon für Pop­stars wie Pink und Har­ry Styl­es. In der Lok­re­mi­se wer­den die Tän­zer:in­nen in ei­nem Irr­gar­ten vol­ler blau­er Trep­pen dem Lauf der Din­ge aus­ge­setzt. Bour­geois be­nutzt da­bei die Fi­gur des Clowns. Sie ist uni­ver­sell, tief­grün­dig und zeit­los. Die Pia­no- und Or­gel­stü­cke von Chil­ly Gon­za­les, Yann Tier­sen und Neil Young un­ter­ma­len die ver­zau­bern­de Wir­kung des Tan­zes.

Zwi­schen Him­mel und Er­de

Em­por­stei­gen, fal­len, auf­ste­hen und zu­sam­men­kom­men. Das Stück ist der Ver­such, al­le Kräf­te, die auf uns wir­ken auf­zu­he­ben. Ei­ne Art Schwe­be­zu­stand. Wenn die weis­sen Clowns fal­len, gibt es die­sen ei­nen Mo­ment, wo die Welt kurz still zu ste­hen scheint. Das Fal­len und Ab­fe­dern auf dem Tram­po­lin fühlt sich auch für die Zu­schau­er:in­nen ge­gen­wär­tig an - im Hier und Jetzt.

Wer schon ein­mal Tram­po­lin ge­sprun­gen ist, kennt die­sen kur­zen glück­li­chen Au­gen­blick der Leich­tig­keit – das Schwe­ben zwi­schen Him­mel und Er­de. Der nächs­te Auf­prall folgt un­auf­halt­sam. Auch das Ver­schluckt wer­den in ei­nem Schacht oder der Kampf mit ei­nem wi­der­spens­ti­gen Schuh ge­hö­ren zum sub­ti­len Hu­mor von Yo­ann Bour­geois. Was auf den ers­ten Blick toll­pat­schig wirkt, ist in Wirk­lich­keit Prä­zi­si­on und Kör­per­be­herr­schung. Die Tän­zer:in­nen meis­tern die ho­he Schu­le des Stol­perns und Strau­chelns bra­vou­rös.