Der Tod, der aus dem Norden kam
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Am 28. Februar 1986 wurde der schwedische Ministerpräsident Olof Palme auf offener Strasse erschossen. Bis heute ist das Attentat ungeklärt. Seither bietet der Mord Spielraum für die unterschiedlichsten Theorien und Spuren. Eine davon führt nach Afrika. Aus diesem historischen Stoff mit wahren Begebenheiten spinnt Christoph Nix einen Politthriller, dessen Hauptakteure frei erfunden sind, aber aufgrund ihrer Namen mit realen Persönlichkeiten verwechselt werden könnten – so steht es im Nachwort.
Zur Story: Gefunden wird die Leiche der schwedischen Ärztin, Liv Utstedt, im Haus eines Muzungu, eines «weissen Mannes». Die beiden Soldaten Oanda und Momba, die auf den Fall angesetzt und zu Kriminalpolizisten ernannt werden, ermitteln im Umfeld der Europäer und geraten schon bald auf eine gefährliche Spur, die sie ins Haus des ugandischen Präsidenten führt. Es beginnt eine Reise durch die Geschichte und die Kartographie Ugandas, die auf zwei Ebenen Spannung erzeugt. Zum einen ist es der kriminalistische Plot, zum anderen aber die Umgebung und Kultur des fremden Landes.
Uganda: die Perle Afrikas
Traurige Berühmtheit erlangte Uganda in den 1970er-Jahren mit der Herrschaft des Diktators Idi Amin, unter dem schätzungsweise 400’000 Menschen Opfer von Terror und Gewalt wurden. Doch was geschah nach dessen Vertreibung auf politischer Ebene? Darauf gibt der Roman Muzungu Antwort: Anhand des fiktiven Charakters des Präsidenten Aseveni wird der real existierende Präsident Museveni, der seit 1986 im Amt ist, beleuchtet.
Was geschieht mit einem Menschen in einer derartigen Machtposition? Einst im Untergrund als Rebell gegen Amin tätig, ist die Kunstfigur Aseveni heute selbst Teil des korrupten Spiels afrikanischer Politik. Gezeigt wird der Umgang mit Homosexuellen, die AIDS-Politik und interne Machenschaften im Umgang mit Ministern. Nicht zuletzt steht Aseveni aber auch auf persönlicher Ebene unter Druck – von seiner Ehefrau. Im Roman von Christoph Nix hat der Präsident vor seiner Regierungszeit eine Affäre mit der damaligen Studentin Liv Utstedt.
In Rahmen dieser Liebesgeschichte verspinnt Nix die Fäden der Fiktion geschickt mit historischen Persönlichkeiten und der Beschreibung Ugandas in seiner bizarren Mischung aus landschaftlicher Schönheit und menschlicher Grausamkeit. Trotz des Verzichts auf Ab- und Ausschweifungen ist eine Entfaltung der Charaktere möglich. In der Figur Asevenis wird der Leser nicht nur auf einer persönlichen Ebene an den Machthaber Ugandas herangeführt, sondern kann auch dessen psychologische Entwicklung vom jungen Rebellen zum eingesessenen Diktatoren begleiten.
Kompakter Krimi zwischen Dokumentation und Poesie
208 Seiten nehmen in manchem Kriminalroman gerade mal die Einführung ein. Nix schafft es, in diesem Format seinen kompletten Plot abzuhandeln. Knapp aufeinander folgen Reizworte wie Safari, Machete, Goldhandel, Krokodil, Kindersoldaten, Rosenhandel, AIDS, Korruption, Unicef und fügen sich zu dem Gesamtkomplex «Uganda». Dieser dokumentarische Stil, mit dem die Kultur, die Landschaft und die Städte Ugandas beschreiben werden, ist es, was den sprachlichen Reiz des Romans ausmacht.
Es bedarf gar keiner seitenlangen Abhandlungen – eine schlichte Aufzählung der Tierarten genügt, um ein lebendiges Bild des afrikanischen Dschungels vor Augen zu haben, ebenso wie auch die blosse Nennung einer Vergewaltigung ausreicht, um das Ausmass des Schreckens begreiflich zu machen. Nix wühlt nicht im Dreck, wirbelt kaum Staub auf und schafft es dennoch eindrucksvolle Bilder zu zeichnen. Seine poetischen Formulierungen gewinnen gerade durch die sorgsame Verwendungsweise an Imposanz.
Unter der schmalen Seitenzahl hat letztendlich nur das kriminalistische Ende zu leiden. Innerhalb kurzer Zeit haben die beiden Ermittler, deren gütiges Herz und zaghafte Vorsicht man gerade lieb gewonnen hat, den Mörder gefunden. Während man sich beim Lesen in die Sprünge zwischen den Kontinenten, von Schweden nach Uganda, und den verschiedenen Jahrzehnten eingewogen und sich an deren wellenartigen Wechsel gewöhnt hat, ist – zack – auf einmal das Buch zu Ende.
Mit dem Mörder schliesst sich Kriminalautor Nix einem der besten seiner Liga an: Stieg Larsson – aber mehr soll nun hier nicht verraten werden. Muzungu ist an einem Wochenende zu lesen und absolut empfehlenswert!