Der St.Galler Stadtbaumeister geht
Es ist eine lange Liste von Versäumnissen, die dazu geführt hat, dass man in der Stadt St.Gallen – seit Jahren schon – von einem «Mangel an Baukultur» spricht. Dabei bedeutet Baukultur nicht, Fassaden zu verschönern, sondern die Stadtentwicklung – samt der öffentlichen Räume – mitzugestalten. Früher gab es für solche Aufgaben auch hier ein Bewusstsein: 1992 erhielt die Stadt den Wakkerpreis für ihre «vorbildlichen Gesamtplanungen, die helfen, Bauherren und Architekten von den Vorzügen rücksichtsvoller und qualitativ hochstehender Einordnung in die Umgebung zu überzeugen». Treibende Kraft war damals der verstorbene Stadtbaumeister Franz Eberhard. Und Hochbauamt und Stadtplanung gehörten noch zusammen. Danach ging diese Kultur immer mehr verloren.
Als Erol Doguoglu als Einheimischer und als zuvor aktiv planender und bauender Architekt zum Stadtbaumeister ins Amtshaus (Bild) gewählt wurde, sprach man in den Fachverbänden und im Architekturforum Ostschweiz von einer Signalwirkung. Doguoglu hatte sich vorgenommen, die Baukultur wieder zu fördern, um den schlechten Ruf zu beseitigen. Doch zuletzt sah er offensichtlich keine Möglichkeiten mehr, echte Verbesserungen zu erreichen.
Kaum Gestaltungsspielraum
Die Gründe für seinen Abgang seien vielfältig:
- Heute überprüfen in St.Gallen Finanzexperten die Bauprojekte, um Kosten zu optimieren, und kümmern sich dabei nicht um die Planungsabläufe und die Architektur.
- Das Hochbauamt konnte schon seit zwei Jahren keinen Wettbewerb mehr ausschreiben.
- Die Baubewilligungsbehörde soll verkleinert werden und der Stadtbaumeister soll dort künftig nicht mehr dabei sein.
- Die langen Diskussionen über eine engere Zusammenarbeit von Hochbau, Stadt- und Verkehrsplanung führten zu keinen greifbaren Resultaten.
- Das Sparprogramm hat dazu geführt, dass längst vorbereitete Projekte wie der Neubau des Schulhauses Riethüsli oder die Sanierung des Waaghauses auf den St.Nimmerleinstag verschoben sind.
- Die neue Marktplatzvorlage verzichtet weitgehend auf eine neue Gestaltung und berücksichtig fast nur noch die Anforderungen des öffentlichen Verkehrs. Gleichzeitig macht sie das umstrittene Parkhaus möglich.
- Der Stadtrat wollte bisher für den «Klubhaus»-Kauf trotz bester Lage am Bahnhof kein Geld freigeben, obwohl es sich dabei um eine für die Stadtentwicklung strategisch wichtige Liegenschaft handelt. Auch darum geriet die Stadtregierung in die Kritik, sie betreibe keine aktive Liegenschaftspolitik. Sie habe sich das Güterbahnhofareal vor der Nase wegschnappen lassen und dem Kanton innert weniger Tage und ohne Auflagen das Areal Platztor verkauft.
- In die Kritik geriet auch die Baudirektorin, die Forderungen und Einwände allesamt «interessant» findet und die möglichst oft allen Seiten recht gibt, die aber die Entscheide dann doch den Verwaltungsjuristen überlässt.
Rasch drehendes Personenkarussell
Mit der Suche nach einem neuen Stadtbaumeister muss sich der Stadtrat erneut mit einer Kader-Personalie in der Direktion Bau und Planung befassen. Erol Doguoglus Vorgängerin, Wiebke Rösler, war nur vier Jahre im Amt. Helen Bisang, die frühere Leiterin der Stadtplanung, war nach fünf Jahren weg. Vielleicht überlegt sich der Stadtrat nun, ob es Gründe für dieses rasch drehende Personenkarussell gibt. Entsprechende Fragen gab es schon einmal 2009. Bereits damals fielen die personellen Wechsel auf. Es würden sich keine Änderungen an der internen Organisation aufzwingen, sagte damals der Direktionssekretär Bau und Planung dem «St.Galler Tagblatt». Seither haben die Stadträtin und das Kader-Personal wieder gewechselt – der Direktionssekretär ist der gleiche.
Erol Doguoglu übernimmt im nächsten Juni das Amt des Kantonsbaumeisters im Thurgau. Dort hatte Amtsvorgänger Markus Friedli 15 Jahre lang mit einer weit herum gelobten Wettbewerbskultur Bauten realisiert, die in Architektenkreisen bekannt sind. Darunter den Campus der Pädagogischen Hochschule in Kreuzlingen, die Umbauten für die Kantonsbibliothek und des Regierungsgebäudes oder das Staatsarchiv in Frauenfeld. Die neue Thurgauer Baudirektorin Carmen Haag hat ihrerseits betont, sie wolle diese Baukultur weiter fördern – ein Klima, das Erol Doguoglu in St.Gallen vermisste.