Der koloniale Aufstieg eines Thurgauer Gärtners

«August Künzler. Thurgau – Tanzania»: Das Historische Museum Thurgau zeigt den phänomenalen Aufstieg des  August Künzler aus Kesswil zum «Weizenkönig» und Grosswildhändler in Afrika.  
Von  Harry Rosenbaum

«Die Schweiz hatte bekanntlich keine Kolonien», sagt Museumskurator Christian Hunziker. «Sie profitierte aber vom Kolonialismus.» Das taten auch einige ihrer ausgewanderten Bürger. Ein klassisches Beispiel für diesen helvetischen Kolonialismus ist der Thurgauer Gärtner August Künzler (1901 bis 1983), der eine sichere Existenz als Gewerbler im Tessin gegen das grosse Abenteuer auf dem Schwarzen Kontinent eintauschte.

«Weizenkönig» und Giraffenhändler

1929 verlässt Künzler die Heimat und lässt sich in der damaligen britischen Kolonie Tanganjika nieder. Zuerst jobbt er als Vorarbeiter auf Sisal- und Palmölplantagen und kann nach drei Jahren Land erwerben. Er beginnt mit dem Aufbau einer eigenen Farm für Weizen, Saat- und Speisebohnen und wird innerhalb eines halben Jahrhunderts zum Grossfarmer, Grosswildjäger und weltweit tätigen Grosstierhändler, der Giraffen, Elefanten und Raubkatzen im Sortiment hat. Seine «Big Game Ranch» ist berühmt und wird von der Windsor-Prinzessin Margaret und von Kuoni-Reisegruppen besucht. Künzler gehört während der Kolonialzeit zu den einflussreichsten Persönlichkeiten in Tanzanias Nordprovinzen.

Mit der Unabhängigkeit des afrikanischen Landes 1961 jedoch ändert sich die Situation des Thurgauer Kolonialisten. Er verkauft schrittweise seine vielen Unternehmen und kehrt, gesundheitlich angeschlagen, 1979 in seine Thurgauer Heimat zurück. Hier startet er in jovialer Manier mehrere Entwicklungsprojekte für Tanzania, scheitert aber damit und stirbt 1983.

Zeitzeugen erzählen

Der junge Historiker Christian Hunziker verfasste seine Masterarbeit über Künzler und hat für die Einrichtung der Sonderausstellung umfangreiches Archivmaterial gesichtet, Fotos und Kunstgegenstände aus Künzlers Ethno-Sammlung beschafft sowie zahlreiche Zeitzeugen befragt, darunter die Tochter des «Weizenkönigs», seine Sekretärin sowie einen seiner Tierfänger. Insgesamt 17 Hörstationen machen die Ausstellung für die Besucher zu einem authentischen Erlebnis.

Laut Hunziker war Künzlers Leben voller Widersprüche. Er sei ein patriarchalischer Grossfarmer gewesen, über den sich seine einheimischen Untergebenen und auch Mitarbeiter aus der Schweiz teilweise sehr kritisch äusserten. «Er war ein schwieriger Patron. Zahlreiche Mitarbeiter aus der Schweiz verliessen seine Dienste vorzeitig. Interessanterweise blieben aber die einheimischen Arbeiter oft jahrelang“, sagt Hunziker. Der Thurgauer, dem sich im fernen Afrika Möglichkeiten öffneten, die er in der Schweiz nie gehabt hätte, war sehr darauf bedacht, sich und seine Erfolgsgeschichte medial in Szene zu setzen. So liess er vom renommierten Journalisten und Schriftsteller Alfred A. Häsler seine Biografie schreiben und gab Radio- und Fernsehinterviews über sein Leben.

Die Sonderausstellung ist in drei Teile gegliedert: Teil eins befasst sich mit der Glorifizierung von «Onkel August» in der Familie im Thurgau. Teil zwei ist dem wirtschaftlichen Aufstieg und Erfolg in Tanzania gewidmet, Teil drei schliesslich zeigt das exotische Afrika in Form der Grosswildjagd und des Tierfangs.

Altes Zeughaus Frauenfeld, bis 26. Oktober 2014, reichhaltiges Begleitprogramm.

historisches-museum.tg.ch

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