Dem Engel droht der Absturz

Die Genossenschaft Schwarzer Engel steht vor dem Aus. Sie muss 30'000 Franken auftreiben – innerhalb der nächsten fünf Tage. Sonst könnte die alternative Traditionsbeiz in der St.Galler Altstadt für immer schliessen.
Von  David Gadze
Ein sozialer und kultureller Treffpunkt: Der Engel an der Engelgasse 22. (Bild: pd)

Der Schwarze Engel an der Engelgasse 22 ist mehr als eine Beiz. Er ist ein Treffpunkt der sozialen und alternativen Szene, ein Kulturlokal, eine unaustauschbare Perle der St.Galler Gastrolandschaft. Seit 1986 gibt es die Genossenschaftsbeiz, doch nun kämpft sie um ihre Existenz.

Am Mittwoch informierte sie zuerst in den sozialen Medien und später mittels Communiqué, dass ihr das plötzliche Lichterlöschen droht: Treibt der Engel bis Ende Oktober nicht 30’000 Franken auf, könnten seine Türen für immer geschlossen bleiben. «Wir haben es verpasst, frühzeitig zu erkennen, wie schlimm die Situation sich darstellt. Wir zahlen hier als selbstverwaltete, semi-professionell geführte Beiz, die auch durch viel Freiwilligenarbeit funktioniert, gerade Lehrgeld», heiss es in der Medienmitteilung.

Eigenkapital nahezu aufgebraucht

Der Schwarze Engel blickt auf finanziell schwierige Jahre zurück. Der Ausbruch der Covid-19-Pandemie Anfang 2020 und die vom Bundesrat verordneten Schliessungen von Restaurants und Bars verschärften die Lage zusätzlich. Allein im vergangenen Geschäftsjahr (Juli 2021 bis Juni 2022) resultierte ein Minus von rund 45’000 Franken, mit den Ergebnissen der vorangegangenen Jahre beträgt der Verlust gar insgesamt etwa 70’000 Franken. «Dadurch ist unser Eigenkapital nahezu aufgebraucht», sagt Kollektivmitglied Peter Wild.

Die angespannte finanzielle Situation war den Verantwortlichen folglich bekannt. «Ein Konkurs kann aktuell gerade noch abgewendet werden. Wenn der Engel aber nicht bald Geld auftreiben kann, wird es ihn nicht mehr lange geben», hiess es in einem Schreiben von Mitte Oktober. Für Anfang November war ein Crowdfunding geplant. Ob es nun überhaupt dazu kommen wird, ist offen.

Von falschen Tatsachen ausgegangen

Wie konnte es also so weit kommen, dass die Genossenschaft nun innerhalb von fünf Tagen einen so grossen Betrag auftreiben muss? «Durch die akute Gefahr der Überschuldung sind wir rechtlich dazu verpflichtet, monatlich Bilanz zu ziehen», sagt Wild. Ist diese negativ, muss sie deponiert werden – der Richter entscheidet dann über die Einleitung des Konkursverfahrens.

«Das ist uns erst heute bewusst geworden.» Bisher sei man davon ausgegangen, solange das Eigenkapital nicht aufgebraucht sei, liege ein allfälliger monatlicher Verlust drin. In der Hoffnung, diesen in der kommenden kalten Jahreszeit, die für viele Beizen teilweise deutlich umsatzstärker ist als die warmen Monate, wieder aufzufangen oder sogar Reserven anhäufen zu können, wie es vor Corona gewöhnlich der Fall war.

Der Aufruf in den sozialen Medien

Sollte die Spendensammlung erfolgreich sein, wäre das Überleben des Schwarzen Engels vorerst gesichert. Denn klar ist jetzt bereits: Die 30’000 Franken sind nur die erste Sofortmassnahme, die Not wäre damit gelindert, aber nicht überstanden. Für eine längerfristige finanzielle Absicherung bräuchte es in einem zweiten Schritt noch mehr Geld. «Im besten Fall können wir den Verlust der vergangenen Jahre auf etwa 50 Prozent unseres Eigenkapitals reduzieren. Das bedeutet, dass wir dann nochmal bis zu 35’000 Franken bräuchten», sagt Wild. Dann allerdings mit mehr zeitlichem Vorlauf.

Jetzt ist es ein Wettlauf gegen die Zeit. Am meisten geholfen sei der Genossenschaft mit dem Kauf von Anteilsscheinen, sagt Wild. Denn dadurch nehmen nicht nur die flüssigen Mittel des Schwarzen Engels zu, sondern auch sein Eigenkapital – und dadurch verschiebt sich die Grenze zur Überschuldung weiter nach oben.

Kommt das Geld bis Anfang nächster Woche nicht zusammen, droht dem Schwarzen Engel ein schneller Absturz. Für die St.Galler Beizenlandschaft wäre das jedenfalls ein herber Verlust.

Beitrittsgesuche für die Zeichnung der Anteilsscheine liegen in der Beiz auf oder können direkt auf schwarzerengel.ch heruntergeladen werden.