, 7. September 2014
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Das Konzert auf dem Dach

Roy and The Devil’s Motorcycle spielten am Samstag auf einem St.Galler Hausdach, bis die Polizei dem Spass ein Ende setzte. Statt einer Konzertbesprechung eine Wegbeschreibung.

Einer am Tisch hatte gewusst, dass Roy and The Devil’s Motorcycle spielen sollten, in dieser Nacht auf irgendeinem Dach in der Stadt. Sie würden sicher nicht zu spät spielen, mutmassten wir, ansonsten käme die Polizei wohl sofort. Es wurde zu einem der besten Konzerte, das ich seit längerem gesehen habe, gerade weil ich davon nichts gesehen habe, nur gehört haben wir es, aus zunehmender Nähe. Wir sassen im Kiesgarten der Militärkantine, als um neun Uhr erste Klänge ertönten, und wenig später vermutlich Applaus. Die Geräusche wehten von einem Dach am südlichen Abhang der Stadt herüber, und sie waren bloss als Konzert zu erkennen, sofern man wusste, dass ein solches stattfand. Wir machten uns auf den Weg.

Die Tonspur führte durch das Otmarquartier zu den Eisenbahngleisen. Vermutlich wars schneller, die hintere Brücke zu nehmen mit ihren Rundbogen aus Stahl, vorbei an einer Passage mit Beizen, wo ich noch niemals ein Bier getrunken habe. Überhaupt erschien mir die Stadt auf eine angenehme Weise fremd, oder besser: Sie ertönte fremd. Mal war der Sound lauter, mal leiser, mal gar nicht zu hören. Er schien vorbeizuziehen wie Wolkenfetzen, und das passt auch ganz gut zu Roy and The Devil’s Motorcycle: Seit 1991 entwerfen die drei Stähli-Brüder im bernischen Oberdiessbach ihren psychedelischen Sound. Sie waren die erste Band auf dem mittlerweile legendären Voodoo-Rhythm-Label von Beat-Man. Seit kürzerem ist der St.Galler Elias Raschle bei der Band als Schlagzeuger zu hören. An gewissen Strassenecken war seine Basstrommel aus dem Sound herauszuhören.

Am Nachmittag, am Werbeanlass für die Reithalle als Kulturort, war zu sehen gewesen, was ein Konzert sein kann: Eine streng formalisierte Aufführung mit Bühne, Band und Publikum. Jetzt unterwegs durch die Strassen wurde klar, was es auch sein kann: Eine Spur, der man folgen kann, ein soziales Geschehen, mit unerwartetem Ausgang. Endlich waren wir vor dem Haus angekommen, auf dem das Konzert spielen musste: Aus einer Wohnung führte ein dickes Stromkabel aufs Dach. Wir betraten das Treppenhaus, zuerst das falsche. Das nächste Treppenhaus war das richtige, davor stand schon ein Polizeiauto. Als wir durch die Dachluke krochen, konnte die Band gerade noch den letzten Ton spielen. Dann rückte die Polizei an und verteilte dem Gastgeber eine Busse. Einer der Stähli-Brüder meinte trocken: «Die verfolgen uns schon die ganze Laufbahn.» Unten auf der Strasse applaudierten die Nachbarn zum Konzert. Zuoberst auf dem Kamin sassen zwei und blickten in den Vollmond.

 

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