Das bessere St.Gallerfest

Wer in der Altstadt von St. Gallen wohnt, weiss: Immer Mitte August heisst es für die Anwohner: Schotten dicht machen und ausziehen! Das St. Gallerfest macht die Stadt nieder, mit Bum-Bum-Musik, mit Kommerz und Kitsch, mit Besoffenen, die die Nacht rumlärmen und einem zum Abschied vor die Haustüre kotzen.
Inhalt statt Festmeile
Einen Gegenentwurf zum inhaltsleeren Besäufnis im August bietet seit zwei Jahren das Strassenfestival «Aufgetischt» anfangs Mai. In Jahre 2012 im Rahmen des Gallusjubiläums erstmals durchgeführt, hat es sich bereits etabliert. 30 Künstlergruppen aus aller Welt haben am 9. und 10 Mai die südliche Altstadt bespielt, für Hutgeld, Kost und Logis. «250 Gruppen haben sich beworben, doppelt so viele wie letztes Jahr», sagt Christoph Sprecher, Präsident des Vereins Aufgetischt. Nächstes Jahr erwarten die Veranstalter etwa 400 Bewerbungen, denn «unser Festival hat in der Szene bereits einen guten Ruf».
Das Strassenfestival kommt auch beim Publikum an. Rund 35’000 Menschen liessen sich dieses Jahr anlocken, und das Wetter spielte mit. Angenehme Temperaturen und kaum Regen – keine Selbstverständlichkeit im Hochtal anfangs Mai.
«Aufgetischt» zeigt auf, wie man ein St.Gallerfest auch feiern könnte: Man nehme einen Inhalt (Strassenkunst) und gruppiere die Festmeile drum rum – und nicht umgekehrt. Das ergibt ein ganz anderes Publikum: «Wir machen das Festival zum dritten Mal und hatten noch keine einzige Schlägerei», sagt Veranstalter Sprecher. Die Stadtpolizei habe genau eine zusätzliche Zweierpatrouille unterwegs, das sei alles, was es an Security brauche.
Irgendwann ist fertig
Ebenfalls angenehm – und das wissen auch die Anwohner zu schätzen: Das Strassenfestival ist irgendwann mal fertig, nämlich um 23 Uhr. «Wenn ich abends um zehn Uhr durch die Gassen ziehe, beginnt an einigen Orten die Stimmung schon zu kippen», sagt Christoph Sprecher; «wenn wir bis in die frühen Morgenstunden ausschenken würden, hätte wir auch Probleme mit Besoffenen.»
Im Jahre 2012 war «Aufgetischt» noch Bestandteil des Gallusjubiläums, die letzten zwei Veranstaltungen trug der neu gegründete Verein auf eigenes finanzielles Risiko mit dem Migros Kulturprozent als Hauptsponsor («die Stadt unterstützt uns, der Kanton nicht»). Natürlich müsse man auch kommerziell denken, sagt Christoph Sprecher. Auf die Beobachtung angesprochen, dass dieses Jahr bereits etwas gar viele Schnitzel-Brot-Buden die Festmeile säumten, relativiert er: «Wir haben nicht mehr Stände als die letzten zwei Jahre, und wir achten darauf, dass wir erlesene Angebote auswählen.»
Das Strassenfestival «Aufgetischt» findet auch nächstes Jahr statt: am 8. und 9. Mai.