Dance in the Gloom

Das Panorama Dance Theater ist mit neuer Tanz-Performance unterwegs. «Big Bird» lässt zuerst eher an Luftig-Leichtes denken, wer das Stück sieht, wird allerdings in eine völlig andere Welt hineingezogen. Gemeinsam mit den vier Tänzerinnen und Tänzern trudelt man in ein Universum, das düster und beklemmend ist. von Dorothee Haarer
Von  Gastbeitrag
Das Ensemble: Laura Garcia Aguilera, Diane Gemsch, Michał Czyż und Tobias Spori. (Bilder: Flavio Ferrari)

Beim Eintreten in den Bühnenraum empfangen einen diffuses Licht, Nebelschwaden und von irgendwo dudelnde Fahrstuhlmusik. Klänge und Lichtverhältnisse wollen so gar nicht zusammenpassen und verursachen einem bereits ein dumpfes Gefühl, bevor man die ersten Tänzer in ihrer Strassenkleidung überhaupt zu Gesicht bekommt. Dieses Empfinden lässt einen bis zum Ende der rund 60-minütigen Inszenierung nicht mehr aus den Klauen. Dann geht es los.

Die Fahrstuhlmusik plätschert unermüdlich. Und am linken Bühnenrand, irgendwo im Dunkel auf dem Boden, regt sich etwas. Man hört ein Schaben, ein Kratzen. Schwarz glänzende Gummipneus, aus denen sich das Bühnenbild immer wieder aufbaut, umbaut und verändert, kommen quälend langsam in Bewegung. Irgendwer schiebt.

Choreografie, Sound und Stage Design: Tobias Spori, Ann Katrin Cooper

Mitunter setzt die Musik plötzlich aus, dudelt dann weiter, wird von schrillen Tönen zerfetzt. Es folgt Stille und man hört Atmen, noch mehr Schaben auf dem Boden. Dann nimmt man Körper wahr, die sich in den Pneus winden, um die Pneus winden. Leiber, deren Köpfe in den Ringen stecken. Beine, die zucken. Arme, die ins Leere greifen, sich hinter dem Rücken verknoten.

Weitere Vorstellungen:
27. und 28. Mai, 20 Uhr, Grabenhalle St.Gallen
2. Juni, 20:15 Uhr, Theater am Gleis Winterthur
panoramadancetheater.com

All das zieht sich über Minuten hin. Irgendwann schliesslich lassen die Tanzenden ihre Kreise aus schwarzem Gummi zurück, verteilen sich einzeln im Raum. Sie werden mal hier, mal da von hellen Lichtspots erfasst, vollführen in Sekunden Bewegungen, die kantig wie splitterndes Glas sind oder aber fliessend wie heisses Wachs. Zuletzt verlässt sie der Lichtstrahl immer wieder. Sie fallen zurück ins Dunkel, erstarren.

Dieses Wechselspiel aus milchigem Licht und Finsternis, Klang und Stille, heftiger Bewegtheit und Regungen, die schleppend langsam in Zeitlupe geschehen, zieht sich fort – und Big Bird mitsamt seinem rätselhaften Titel den Betrachter in etwas hinein, das sich kaum in Worte fassen lässt, dafür umso stärker spürbar ist.

Man erlebt es wie einen Traum, eine Vision oder einen ganz individuellen im Unterbewussten lauernden Dämon. Und ebenso wie solche, kriegt man Big Bird nie ganz zu fassen. Die Agierenden belassen es in ihrem tänzerischen Erzählen beim Ausschnitthaften, Unvollendeten und vermeiden es, ihre getanzten Episoden zu einer Geschichte zusammenführen. Sie bleiben im Diffusen verhaftet und muten den Zuschauern ein recht abruptes Ende und eigene Interpretationen des Gesehenens zu.

Es ist nicht leicht, das auszuhalten. Aber das soll es auch nicht sein. Wie es in der Pressemitteilung zu Big Bird heisst, sucht diese Performance «nach den Abgründen unter der Oberfläche, die uns einzulullen droht, und stellt sich dem Schrecken.»

Genau dieses Suchen ist spürbar, Schrecken inklusive.