D War alegge und go

Wo in Deutschland viele Anhänger der Rechtsaussen-Partei AfD leben, sind auch die Coronazahlen besonders hoch. Wo im Appenzellerland manche Chläuse trotz Verbot chlausen wollen, ist auch die Abwehr gegen das Fremde besonders stark. Korrelationen...
Von  Peter Surber
«Wüeschti» Chläuse am Alten Silvester (Bild: appenzellerland.ch)

Die sächsische Schweiz im äussersten Osten Deutschlands ist eine schöne Gegend. Aber tiefschwarz – was die Zahl der Corona-Infektionen betrifft. Mehr als 2300 Ansteckungen auf 100’000 Einwohnerinnen und Einwohner: Damit war der Landkreis Mitte Dezember deutschlandweit traurige Spitze. Und ebenso hoch ist hier die Zahl der AfD-Wählerinnen und Wähler. 35,5 Prozent wählten 2017 bei der Bundestagswahl die Rechtsaussen-«Alternative für Deutschland».

Ganz rechts und demokratiefern

Zufall? Das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena hat im Dezember diese Zahlen eruiert, landesweit. Dessen Direktor Matthias Quent twitterte, es gebe einen statistischen Zusammenhang zwischen hohen Coronazahlen und AfD-Anhängerschaft – ohne daraus aber rasche Schlussfolgerungen ziehen zu wollen. Es brauche noch vertiefte Studien.

Der deutsche «Tagesspiegel» machte den Faktencheck, rechnete nach und kam zum gleichen Ergebnis, statistisch wie inhaltlich: Die Korrelation sei klar, eine Korrelation bedeute jedoch noch keine Kausalität. «Das Resultat könnte reiner Zufall sein oder eine gemeinsame Ursache in etwas anderem haben, beispielsweise in niedrigerem Einkommen oder medizinischen Unterschieden.»

Die Journalisten haben drum weitergerechnet. Und festgestellt, dass zum einen bei keiner anderen Partei ein vergleichbarer Zusammenhang bestehe, zum zweiten, dass die Zahlen auch mit der Europawahl 2019 wiederum korrelieren, oder dass zum dritten andere Parameter weniger aussagekräftig sind: Die Zahl etwa der deutschen Hartz-IV-Bezügerinnen und -Bezüger pro Landkreis ergibt kaum aussagekräftige Zusammenhänge mit den Corona-Fallzahlen, ebensowenig die Bevölkerungsdichte.

Mehrere Studien wiesen hingegen nach, dass Coronaleugnen, «Querdenken» und AfD-Sympathien vielerorts Hand in Hand gehen.

Bei aller Vorsicht folgert Forscher Quent im «Tagesspiegel»: «Unsere These ist, dass es eine demokratieferne lokale Raumkultur gibt. In diesen Gegenden fühlen sich viele im Widerstand und es gibt eine grössere Bereitschaft zu illiberalem und unkonformem Verhalten. Wenn in Regionen sehr viele rechts wählen, bildet sich eine lokale Kultur, die sich im Widerstand zu einer vermeintlichen Einheit aus Merkel, Medien und Eliten sieht. Das wiederum begünstigt sowohl den Erfolg der AfD als auch die Missachtung von Coronaregeln.»

Aufstand im Hinterland

Von der sächsischen in die wirkliche Schweiz: In Appenzell Ausserrhoden hat die Regierung das Silvesterchlausen 2021 verboten. Der Aufschrei kam prompt: Man lasse sich das Chlausen und Zauren nicht verbieten, und alle 500 aktiven Chläuse könne die Polizei sowieso nicht verhaften. «I lo mi nüd aasächä….!!!!!» protestierte einer der Chläuse in den Sozialen Medien, und einer vom Hörnli-Schuppel Hundwil sagte unverhohlen: «Einfach am 4i ufsto d War alegge und go.»

Das Chlausen am Alten Silvester, dem 13. Januar ist am stärksten im Appenzeller Hinterland verwurzelt. Im Hinterland, in Schwellbrunn, traf sich im Oktober die vielkritisierte 200köpfige Hochzeitsgesellschaft, die die Covid-19-Ansteckungszahlen in die Höhe schnellen liess, und im Dezember folgte das Jodlertreffen im «Hörnli», zu dem schliesslich die Polizei ausrücken musste. Der Ausserrhoder Polizeidirektor verurteilte in der «Appenzeller Zeitung» den lokalen Coronawiderstand, meinte aber, es sei wohl Zufall, dass die Vorfälle gerade im Hinterland passierten. Auch in Städten gebe es Coronaleugner.

Appenzellerland Tourismus verschickt als Ersatz für das Chlausen digitale Zäuerli.
Infos: appenzellerland.ch

Bei der Abstimmung über die Begrenzungsinitiative im September 2020 stimmten die Hinterländer Gemeinden wie folgt: Urnäsch 64 Prozent Ja, Schwellbrunn 63 Prozent Ja, Hundwil 65 Prozent Ja, Schönengrund 66 Prozent Ja, Waldstatt und Stein 50 Prozent Ja. Einzig der Hauptort Herisau lehnte das ausländerfeindliche Ansinnen mit 60 Prozent Nein ab. Klare Nein-Mehrheiten gab es hingegen im Ausserrhoder Mittelland, während sich im Vorderland (wo nicht gechlaust wird) Nein und Ja die Waage hielten.

Interessante Korrelation. Aber man soll keine voreiligen Schlüsse ziehen, sagt der deutsche Statistiker Quent.

Dieser Beitrag erschien im Januarheft von Saiten.