D-Day für Tagblatt Medien

Freitag, der 16.04.2010 ist der Stichtag für das Ostschweizer Medienmonopol – ein medialer D-Day sozusagen. Auf seiner Frontseite hat an diesem Tag das St. Galler Tagblatt das Resultat langer und harziger unternehmerischer Operationen der Tagblatt Medien mit den folgenden Worten verkündet: „Die Thurgauer Zeitung wird Teil des Tagblatt-Verbunds +++ Damit ist ein strategisches Ziel erreicht, […]
Von  Harry Rosenbaum

Freitag, der 16.04.2010 ist der Stichtag für das Ostschweizer Medienmonopol – ein medialer D-Day sozusagen. Auf seiner Frontseite hat an diesem Tag das St. Galler Tagblatt das Resultat langer und harziger unternehmerischer Operationen der Tagblatt Medien mit den folgenden Worten verkündet: „Die Thurgauer Zeitung wird Teil des Tagblatt-Verbunds +++ Damit ist ein strategisches Ziel erreicht, das wir uns schon vor mehr als 20 Jahren gesteckt hatten +++ Im Thurgau beginnt 2011 eine neue mediale Zeitrechnung.“
Die Sätze könnten auch in einem Heeresbericht stehen. Chefredaktor Philipp Landmark denkt in seinem Kommentar sogar an die Gefallenen: „Es wird bei der Zusammenlegung der Thurgauer Zeitung mit der Thurgauer Ausgabe des Tagblatts auch zu einem wohl unvermeidlichen Abbau von Arbeitsplätzen kommen.“ Wie bedauerlich… „Trotzdem – die Übernahme der Thurgauer Zeitung durch das Tagblatt ist unter dem Strich eine gute Nachricht für den Kanton“, schreibt Landmark weiter und marginalisiert damit auf eine ungeheuer kalte Weise die Ausmusterung von Menschen, die vielleicht Jahre oder Jahrzehnte für die Thurgauer Zeitung in der Redaktion, in der Administration oder in der Technik gearbeitet haben.
Aber was soll man sich da über die menschlichen Aspekte einer Unternehmensfusion noch näher auslassen. Wo gehobelt wird, fallen Späne! Und eben, es war nicht leicht in den Besitz der Thurgauer Zeitung zu kommen. Die Medienmogulen in St. Gallen haben dafür verbissen gestritten und zuerst einmal gründlich verloren.
„Die NZZ abblocken und eine eigenständige Thurgauer Zeitung erhalten“, sagte Tamedia-Verwaltungsratspräsident Hans-Heinrich Coninx im September 2005 in seiner Hof-Postille Tages-Anzeiger, als just seine Unternehmensgruppe die TZ gekauft und der Mitbewerberin NZZ (Eigentümerin der Tagblatt Medien) so knapp vor der Nase weggeschnappt hatte. – Fünf Jahre später hat die damalige Verliererin die Thurgauer Zeitung nun trotzdem noch gekriegt. Landmark macht seine Freude zur Pflicht: „Beim Tagblatt ist man sich dieser grossen Chance bewusst“, schreibt er in seinem Übernahme-Kommentar. „In den nächsten Wochen und Monaten wird nun mit der gebotenen Sorgfalt an einem wirtschaftlich tragfähigen und gleichzeitig publizistisch überzeugenden Projekt gearbeitet werden.“
Eine grosse Chance hätten jetzt auch die ungefragten Nutzerinnen und Nutzer der Thurgauer Zeitung und des St. Galler Tagblattes. Sie könnten beispielsweise in einer „Medienverzichtswoche“ jeden Tag – ungenutzt – das Tagblatt und die TZ ans Verlagshaus in St. Gallen zurückschicken, im Bewusstsein einer grossen Protestchance gegen weitere Medienkonzentrationen!
Das wissen wir doch alle: An Medienkonzentrationen sind letztlich nur die Wirtschaft und die Politik interessiert. Mit Medienmonopolen können beispielsweise Marketing- und PR-Kampagnen leichter lanciert werden und politische Botschaften haben die besseren Chancen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Meinung schliesslich entscheidet das Konsumverhalten und macht nebenbei auch noch Politik. Wer über die publizistische Macht und grosse finanzielle Mittel verfügt, bestimmt wirtschaftlich und gesellschaftlich relevante Entscheidungen und kann seine Interessen durchsetzen. Medienmonopole sind Gift für jeden demokratischen Willensbildungsprozess!