«Baratella – un porto sicuro»

Hans Schweizer liess sich von seinen zahlreichen Italienreisen inspirieren. (Bilder: lab)

Am sel­ben Tag, an dem ich mit Hans Schwei­zer im Baratel­la sit­ze und mit ihm über die von ihm neu­ge­stal­te­te Spei­se­kar­te spre­che, gibt ICO­MOS Su­is­se die Ge­win­ner:in­nen für das kom­men­de Jahr be­kannt: Das Baratel­la wird zum «his­to­ri­schen Re­stau­rant 2025» ge­kürt. Ei­ne Aus­zeich­nung, die jähr­lich ver­ge­ben wird und ak­tu­ell die Kro­nen­hal­le in Zü­rich trägt. In der «Kro­nen­hal­le der Ost­schweiz», wie das Baratel­la auch be­zeich­net wird, zeugt das his­to­ri­sche Er­schei­nungs­bild mit dem lin­den­grün be­mal­ten Holz­tä­fer, dem dunk­len Par­kett, den klas­si­schen Tho­net-Stüh­len und den mit weis­sen Stoff­tü­chern ge­deck­ten Ti­schen von sei­ner lan­gen Ge­schich­te.

An den Wän­den des von der Fa­mi­lie Mar­che­so­ni seit 1963 ge­führ­ten Re­stau­rants hän­gen Kunst­wer­ke, die auf ei­ne lan­ge Tra­di­ti­on ver­wei­sen: Al­le drei bis vier Jah­re wird ein:e Künst­ler:in aus dem In- oder Aus­land da­mit be­auf­tragt, die Spei­se­kar­te des Baratel­la neu zu ge­stal­ten. Wäh­rend sich der Re­stau­rant­gast auf das An­ge­bot von haus­ge­mach­ter Pas­ta und wei­te­ren ita­lie­ni­schen Spe­zia­li­tä­ten ver­las­sen kann, ist das neue De­sign der Kar­te stets ei­ne Über­ra­schung.

Die­ses Jahr ist es wie­der so weit: Hans Schwei­zer hat die neue, über­gros­se Spei­se­kar­te im For­mat 50 × 44 cm ge­stal­tet. Am 7. De­zem­ber fin­det im Baratel­la die Ver­nis­sa­ge statt, für die sich In­ter­es­sier­te an­mel­den kön­nen. Wie ge­wohnt steht auch ei­ne be­grenz­te An­zahl num­me­rier­ter und si­gnier­ter Ex­em­pla­re zum Ver­kauf.

Ei­ne lan­ge Tra­di­ti­on

Die Kul­tur­in­itia­ti­ve des Re­stau­rants Baratel­la geht zu­rück auf das Jahr 1976. Sie wur­de an­ge­regt von den bei­den Ga­le­ris­ten Franz La­re­se und Jürg Ja­nett. Die Be­grün­der der Er­ker Ga­le­rie am Gal­lus­platz gin­gen fast täg­lich im Baratel­la es­sen. Oft brach­ten sie Künst­ler:in­nen mit, dar­un­ter bei­spiels­wei­se Giu­sep­pe San­to­ma­so, Eu­gè­ne Io­nesco, Ser­ge Po­li­a­koff, Gün­ther Uecker und Pie­ro Do­ra­zio. Letz­te­rer hat dann auch die ers­te künst­le­ri­sche Spei­se­kar­te des Baratel­la ge­stal­tet. 1979 wur­de Gu­i­sep­pe San­to­ma­so mit die­ser Auf­ga­be be­traut. Da­nach folg­te ei­ne fast elf Jah­re dau­ern­de Pau­se.

Mit Fran­co Mar­che­so­ni führt seit 1989 die zwei­te Ge­ne­ra­ti­on das Re­stau­rant. Die Idee der künst­le­risch ge­stal­te­ten Spei­se­kar­te wei­ter­zu­füh­ren stand für ihn aus­ser Fra­ge. Zu­sam­men mit dem De­si­gner Charles Kel­ler be­auf­trag­te er ein Jahr spä­ter den da­mals in St.Gal­len le­ben­den ös­ter­rei­chi­schen Künst­ler Gün­ther Wi­ze­mann. Die Künst­ler:in­nen ha­ben freie Hand beim Ge­stal­ten, al­len ge­mein sei, dass sie be­reits vor dem Auf­trag ei­ne Be­zie­hung zum Re­stau­rant ge­habt hät­ten, wie Fran­co Mar­che­so­ni er­klärt.

Von den Ita­li­en­rei­sen in­spi­riert

Hans Schwei­zer ist nun der zwölf­te Kunst­schaf­fen­de, der ei­ne Spei­se­kar­te ge­stal­ten durf­te. Die letz­te wur­de von Zin Tay­lor ge­stal­tet. Die da­vor von Sil­vie De­fraohi. An wie­der­keh­ren­den und ein­ma­li­gen ge­sell­schaft­li­chen An­läs­sen ist Schwei­zer im Baratel­la an­zu­tref­fen. Der in He­ris­au ge­bo­re­ne und in St.Pe­ter­zell auf­ge­wach­se­ne Künst­ler ist viel und weit ge­reist. Seit 1990 wohnt er im ap­pen­zel­li­schen Gais.

Auf die Idee zur neu­en Spei­se­kar­te sei er schnell ge­kom­men, er­zählt er. Vom ita­lie­ni­schen Re­stau­rant schweif­ten sei­ne Ge­dan­ken zu sei­nen Ita­li­en­rei­sen, wäh­rend de­ren er be­reits zahl­rei­che Skiz­zen an­ge­fer­tigt hat­te, zu ita­lie­ni­schen Ha­fen­städ­ten und vor al­lem zu ei­nem Haus am Meer, in dem er im­mer wie­der zu Gast ist. Von dort sieht er in der Nacht die wech­selnd blin­ken­den Leucht­tür­me: Grün – Rot – Grün – Rot – Grün – Rot, im­mer im Rhyth­mus, da­zwi­schen das Was­ser, die Luft, die Dun­kel­heit, ein Leer­raum zum Fül­len be­reit mit ei­ge­nen Bil­dern und Ge­dan­ken. Al­les ist in Be­we­gung, das Licht, die Luft, das Was­ser, die Spie­ge­lun­gen auf dem Was­ser.

Das Nar­ra­tiv ist Hans Schwei­zer wich­tig in sei­ner Ar­beit, die den Ti­tel Por­to trägt. So leicht und lo­cker das Re­sul­tat er­schei­nen mag, an der Um­set­zung der Idee ar­bei­te­te er mo­na­te­lang. Die Leich­tig­keit geht nicht zu­letzt auch auf die Far­be Weiss im Bild zu­rück, die Schwei­zer ganz be­wusst ein­setzt. Ob­wohl es sich bei Stein­druck um ei­ne Tech­nik mit ober­fläch­li­cher Be­ar­bei­tung han­delt, schafft der Künst­ler mit un­ter­schied­li­chen Farb­in­ten­si­tä­ten, weis­sen Um­rah­mun­gen und Leer­stel­len Raum und ei­ne ge­wis­se Tie­fe. Dar­über hin­aus nimmt er mit Grün, Weiss und Rot die Far­ben der ita­lie­ni­schen Tri­ko­lo­re auf.

Ge­konnt spielt Hans Schwei­zer mit dem Falz der Spei­se­kar­te. Bei ge­fal­te­ter Kar­te be­fin­det sich der ro­te Leucht­turm auf der Vor­der-, der grü­ne auf der Rück­sei­te. Die Lich­ter sind da­her nur ab­wech­selnd zu se­hen. Hal­ten die Be­su­chen­den je­doch die Spei­se­kar­te ge­öff­net vor sich, um sich durch das viel­fäl­ti­ge Spei­se­an­ge­bot zu le­sen, be­fin­det sich das ro­te Licht in ih­rer lin­ken Hand, er­go back­bord, das grü­ne Licht in ih­rer rech­ten Hand, al­so steu­er­bord, und die Gäs­te mit­samt der an­ge­win­kel­ten Kar­te – ei­nem abs­trak­ten Schiffs­bug gleich – steu­ern auf ei­nen si­che­ren Ha­fen zu.

 

Ver­nis­sa­ge der neu­ge­stal­te­ten Spei­se­kar­te Por­to von Hans Schwei­zer: 7. De­zem­ber, ab 18 Uhr, Re­stau­rant Baratel­la St.Gal­len, An­mel­dung not­wen­dig.

re­stau­rant­baratel­la.ch