Captain Fantastic auf hoher See

Turnen über dem Meer (Bild: Filmstil Home is the Ocean)

Im Dokumentarfilm Home is the Ocean begleitet die gebürtige St.Gallerin Livia Vonaesch über siebe Jahre die Familie Schwörer, die seit fast einem Vierteljahrhundert mehrheitlich auf ihrer Segelyacht lebt. Am Donnerstag hat der Film im Kinok seine Ostschweizer Premiere.

Der 1968 ge­bo­re­ne Da­rio Schwö­rer und sei­ne acht Jah­re jün­ge­re Frau Sa­bi­ne ha­ben ei­ne Mis­si­on: Sie wol­len den Pla­ne­ten Er­de ret­ten. In sei­nem frü­he­ren Le­ben war Da­rio Schwö­rer Berg­füh­rer und spä­ter auch Kli­ma­for­scher, sei­ne Part­ne­rin Pfle­ge­fach­frau. Seit 2002 le­ben sie als No­mad:in­nen, se­geln mit ih­rer 15 Me­ter lan­gen und 13 Ton­nen schwe­ren Yacht «Pacha­ma­ma», dem In­ka-Wort für Mut­ter Er­de, über die Welt­mee­re. 

Es sei der ra­pi­de Glet­scher­schwund ge­we­sen, den er als Berg­füh­rer haut­nah mit­ver­fol­gen konn­te, er­klärt Da­rio Schwö­rer die ih­re Mo­ti­va­ti­on, so weit wie mög­lich im Ein­klang mit der Na­tur le­ben zu wol­len. Es sei doch heu­te ein Muss, sich mit der Na­tur zu ver­bin­den, sagt er zu Be­ginn des Films. «Doch das funk­tio­niert nicht, wenn man nur zu Hau­se hockt und Ani­mal Pla­net schaut.»

Kin­der ste­hen im Zen­trum 

Im Lau­fe ih­res un­end­li­chen Trips hat das Paar zwi­schen 2005 und 2017sechs Kin­der ge­zeugt, je­des ein­zel­ne von ih­nen ist an ei­nem an­de­ren Ort zur Welt ge­kom­men. Der Ge­burt des Jüngs­ten, des im Au­gust 2017 in ei­nem is­län­di­schen Spi­tal ge­bo­re­ren Vi­tal, wid­met der Film ei­ne län­ge­re Se­quenz. Die Kin­der hät­ten sie von An­fang an in ih­ren Bann zo­gen, sagt Re­gis­seu­rin Li­via Vo­n­aesch. 

Der Nach­wuchs ist es denn auch, der in wei­ten Tei­len von Home is the Oce­an im Zen­trum steht – sei­en es die Kin­der der Schwö­rers, mit de­nen der Film be­ginnt, oder an­de­re, et­wa wenn das Paar mit sei­nen Kin­dern Schul­klas­sen be­sucht. Dort be­rich­tet es nicht nur von den Er­leb­nis­sen auf dem Meer und an Land, son­dern leis­tet zu­sam­men mit den Kin­dern auch ganz prak­ti­sche Ar­beit für ei­nen scho­nen­de­ren Um­gang mit dem Pla­ne­ten. So sam­meln sie et­wa Plas­tik­ab­fäl­le an den Strän­den. 85 Ton­nen sind es ge­mäss den Pres­se­un­ter­la­gen im Lauf der Jah­re ge­wor­den.

«In­spi­ring the youth to sa­ve our pla­net!», heisst es da­zu auf der Home­page von top­to­top.org, der Web­sei­te, die das Pro­jekt der Schwö­rers be­glei­tet. Ei­ner der Haupt­spon­so­ren ist üb­ri­gens die Fir­ma Vic­to­rin­ox, des­halb prangt das Bild ei­nes rie­si­gen auf­ge­klapp­ten Schwei­zer Mi­li­tär­sack­mes­sers auf dem Se­gel der «Pacha­ma­ma». 

Zu viel Fa­mi­li­en­le­ben, zu we­nig Um­welt­schutz 

Die prak­ti­sche Ar­beit für die Ret­tung des Pla­ne­ten kommt im Film lei­der zu kurz. Der Ti­tel Home is the Oce­anist wohl zu wört­lich zu neh­men, denn über wei­te Tei­le zeigt der Film das Fa­mi­li­en­le­ben auf dem Schiff mit ei­ner oft ziem­lich kla­ren Rol­len­ver­tei­lung: Da­rio am Steu­er, Sa­bi­ne mit den Kin­dern beim Ho­me­schoo­ling oder am Zu­be­rei­ten der Mahl­zei­ten. Und wenn wie­der ein­mal ein Sturm auf­ge­kom­men ist und das Schiff be­denk­lich schwankt, er­klärt Sa­bi­ne Schwö­rer un­ge­rührt, jetzt kön­ne man nur Bouil­lon es­sen. 

Iro­ni­scher­wei­se ist dann der hef­tigs­te (und fol­gen­schwers­te) Sturm ei­ner, den die Schwö­rers an Land er­le­ben. Im No­vem­ber 2017, nach der Ge­burt von Vi­tal, lie­gen sie im­mer noch im Ha­fen ei­ner is­län­di­schen Stadt, wo sie auch den Win­ter ver­brin­gen wol­len, als sich ei­nes nachts das ver­täu­te Schiff los­reisst und so schwer be­schä­digt wird, dass es fast sinkt. Als die Fa­mi­lie dar­auf­hin be­schliesst, den Win­ter in ei­nem Bünd­ner Berg­dorf zu ver­brin­gen, reift bei die­ser Ge­le­gen­heit der Ent­schluss der bei­den Äl­tes­ten, der Teen­ager Sa­li­na und An­dri, in der Schweiz sess­haft zu wer­den und ei­ni­ge Zeit spä­ter mit­tels ei­nes Sti­pen­di­ums in der Stifts­schu­le En­gel­berg das Gym­na­si­um zu be­su­chen.

Er­in­ner­te der Film bis da­hin in ei­ni­gen Sze­nen bis­wei­len an Cap­tain Fan­ta­stic, je­nes tra­gi­ko­mi­sche Dra­ma von Matt Ross aus dem Jahr 2016, so ver­blasst die­se As­so­zia­ti­on von die­sem Mo­ment an doch stark. An­ders als der von Viggo Mor­ten­sen ge­spiel­te Fa­mi­li­en­va­ter, der zu­sam­men mit sei­ner Frau und sei­nen sechs Kin­dern in der Wild­nis des Bun­des­staa­tes Wa­shingh­ton zu­rück­ge­zo­gen lebt, um die Fa­mi­lie vor der bö­sen Aus­sen­welt zu be­wah­ren, ist Da­rio Schwö­rer je­mand, der mit bei­den Bei­nen auf dem Bo­den der Rea­li­tät steht. Ei­ner Rea­li­tät, die bei ihm ge­le­gent­lich wie aus ei­nem Ma­nage­ment-Se­mi­nar klingt. Et­wa wenn er an ei­ner Stel­le im Film sagt: «Wenn du ein Ziel er­rei­chen willst, brauchst du Steh­ver­mö­gen.» Die Wor­te fal­len ge­nau in der Mit­te des Films, ein Sturm kommt auf – und zu­ge­ge­be­ner­mas­sen hat man ja schon län­ger auf so et­was ge­war­tet. Die Bil­der hier sind in der Tat spek­ta­ku­lär, min­des­tens so spek­ta­ku­lär wie je­ne vom Sturm im is­län­di­schen Ha­fen.  

 

Home is the Oce­an: Pre­mie­re am 13. März, 20 Uhr, in An­we­sen­heit von Re­gis­seu­rin Li­via Vo­n­aesch und Pro­du­zen­tin Mir­jam von Arx. 

ki­nok.ch