Bürostühle statt Kinosessel

Neues von der Brühlgasse: Aus dem früheren St.Galler Kino Corso werden Büros. Und in der einstigen Pizzeria «Boccalino» soll wieder ein Restaurant öffnen.
Von  René Hornung
Bilder: René Hornung

Seit 2012 läuft kein Film mehr im ehemaligen St.Galler Kino Corso an der Brühlgasse. Auch die einst legendäre Pizzeria «Boccalino», die ursprünglich gar über eine Kegelbahn verfügte, ist seit Jahren verwaist. Doch jetzt soll alles anders werden. Architekt und ex-FDP-Politiker Iso Senn hat mit seiner Immo-W AG ein Umbaugesuch eingereicht.

Wo einst die Kinosessel standen, soll künftig auf Bürostühlen gearbeitet werden. Im Restaurant soll – wie einst im Boccalino – wieder auf zwei Etagen und draussen in der Gartenbeiz am Burggraben, gewirtet werden.

Dieser Tage wurde das Umbaugesuch eingereicht. Es zeigt: Auch äusserlich wird am Haus einiges verändert. Die geschlossene Betonwand des ersten Obergeschosses, hinter der das Kino spielte, soll mit mehreren Fenstern geöffnet werden. Auch im Erdgeschoss wird es zur Brühlgasse hin neue Fenster geben.

Betrachtet man die Umbaupläne etwas genauer, wird klar, dass Iso Senn mit dem eigenen Planungs- und Generalunternehmen ins ehemalige Kino einziehen will. Der Eingang und die Büros sind auf den Plänen mit «Senn» und den entsprechenden Namen der Senn-Abteilungen «Development» oder «Ressources» angeschrieben. Die Mitte der 1960er-Jahre von den Brüdern Iso und Gallus Senn gegründete Bauplanungsfirma, damals mit eigenem Architekturbüro, wird heute von der nächsten Generation, von Johannes und Lukas Senn, sowie von Johannes Eisenhut geleitet.

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Das Unternehmen hat sich als Liegenschaftenentwickler, Investor und Generalunternehmen einen guten Ruf erarbeitet. Man wagt sich auch an schwierige Aufgaben und ist an so spektakulären wie pionierhaften Projekten wie der Zürcher Überbauung Zwicky Süd oder am Gewerbehaus «Noerd» in Zürich Oerlikon massgeblich beteiligt. Das «Noerd» ist unter anderem Fabrikationsort des Taschenherstellers Freitag.

Zurzeit baut Senn in St.Gallen die Parkagarage am Unteren Graben aus und stockt das Gebäude mit Räumen für die Universität auf. Senn baut inzwischen oft in Zusammenarbeit mit bekannten Architekturbüros, auch mit Herzog und de Meuron. Die Pläne für den anstehenden Corso-Umbau hat das Winterthurer Büro Beat Rothen gezeichnet. Rothen und Senn haben schon gemeinsam das erwähnte Gewerbehaus «Noerd» gebaut.

Die Fassade wird geöffnet.

Mit dem Umbau des Corso gilt es definitiv Abschied zu nehmen von einem St.Galler Grosskino. Als es der Kino-Gigant Kitag 2012 schloss, was es just 50 Jahre alt. 1962 war der Neubau an der Brühlgasse fertig geworden. Iso Senn übernahm das Kino nach der Schliessung mit seiner Immo-W AG. Ein Jahr später auch das «Boccalino». Oben im Haus ist der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst untergebracht, ganz oben gibt es noch Wohnungen.

Bevor der Entscheid zum Umbau in Büros fiel, hatte Senn ganz verschiedene andere Nutzungen prüfen lassen – die haben sich aber offensichtlich alle zerschlagen. Die Zürcher Neugass Kino AG mit ihren Kinos Riffraff und Houdini prüfte einen Umbau in acht Studiokinos. Iso Senn bedauerte im Hebst 2015 gegenüber Saiten, dass sich diese Pläne aus Kostengründen nicht realisieren liessen. Auch Pläne für ein Kultur- und Konzertlokal wurden diskutiert – auch sie waren offensichtlich zu teuer.

Nach der Schliessung gab es noch zweimal Gelegenheit den grossen, ziemlich kitschig ausgestatteten Saal mit seinen Logen-artigen Seitenrängen zu besuchen. Der St.Galler Filmemacher Dennis Ledergerber zeigte 2013 hier seinen Film Himmelfahrtskommando und im Sommer 2015 führte die Stadt ihren Dok-Film über das grandios gescheiterte Geothermie-Projekt vor.

Die ehemalige Boccalino-Gartenbeiz soll wieder geöffnet werden.