Bücherpost IV oder: Wir sind das Volk

Der erste Ort in der Stadt: Das soll die neue Hauptpost-Bibliothek werden. Am Donnerstag war offizielle Eröffnung und Schlüsselübergabe, am Samstag öffnet die Hauptpost für das Volk. Dieses kam an der Eröffnungsfeier allerdings zu kurz.
Von  Peter Surber

Die Freude ist gross: Die Bibliothek in der Hauptpost geht auf. Sie ist zwar ein Provisorium, aber ein «wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Public Library», wie Regierungsrat Martin Klöti sagte, und «eine Investition für kommende Generationen», wie Stadtpräsident Thomas Scheitlin ergänzte. Viele schöne Worte wurden an der Eröffnungsfeier gesagt. Das schönste zitierte der Slammer Richi Küttel aus dem Roman «Schlafgänger» von Dorothee Elmiger: «Esther blickte ernst aus dem Fenster, sie habe eine Veränderung festgestellt in der Stadt, sagte sie, aber genau benennen könne sie sie nicht.»

Benennen wir die Veränderung: St.Gallen hat endlich eine Hauptstadt-Bibliothek. Und der Anstoss kam von unten, aus dem Volk.

Wir sind das Volk zum ersten: Dass heute die Bibliothek in der Hauptpost eröffnet werden kann, ist das Verdienst der Bibliotheksinitiative. Ohne sie und ihre über 10’000 Unterschriften hätten die Behörden nach dem «Nein» der Kantonsregierung keinen Finger gerührt. Einer der vielen Blumensträusse am Donnerstagabend hätte den Initianten um Ralph Hug und Johannes Stieger gehört. Der einzige, erst noch leicht zu überhörende Satz von Kulturdirektor Martin Klöti an die Adresse der Bibliotheksinitianten war entschieden zu wenig.

Wir sind das Volk zum zweiten: Dass die Männer die Strippen ziehen und die Frauen arbeiten, hätte sich kaum symbolträchtiger illustrieren lassen als durch die Schlüsselübergabe. Vier Mann (die Regierungsräte Martin Klöti und Willy Haag, die Stadträte Thomas Scheitlin und Markus Buschor) überreichten den omnipotenten, von der Künstlerin Andrea Vogel gestalteten Schlüssel an die Damen vom Kanton (Kulturamtsleiterin Katrin Meier, Kantonsbibliothekarin Sonja Abun-Nasr) und Stadt (Christa Oberholzer, Leiterin der Stadtbibliothek, und Marlies Angehrn, Leiterin des Schulamts). Die Kantonsbibliothekarin sagte dann zum Dank sehr kurz, aber präzis das Entscheidende: Sie nehme den Schlüssel stellvertretend für die Bevölkerung entgegen.

Wir sind das Volk zum dritten: Dass das Provisorium keine Dauereinrichtung sein wird, wurde an der Eröffnung zwar angedeutet, aber nicht in aller Klarheit gesagt. Die Wahrheit lautet: Das Hauptpost-Gebäude muss längerfristig grundlegend saniert werden, die Post verlässt in einigen Jahren den Ort definitiv, und wenn es dann ums Renovieren geht, muss die Bibliothek entweder vorübergehend zügeln oder (falls ein anderer Standort auftaucht) dauerhaft wieder ausziehen. Für das Lese-Volk heisst es deshalb: Erobert die neue Bibliothek, solange es sie gibt!

Jemand hat nach der gestrigen Eröffnung gesagt: Sie glaube jetzt wieder ein bisschen mehr an diese Stadt.