Bucher in der Poleposition

Wenig überraschend sind die vier bisherigen St.Galler Regierungsräte locker wieder gewählt worden. Susanne Hartmann schafft es als einzige Frau im ersten Wahlgang. SP, FDP und SVP kämpfen um die zwei letzten Sitze. Spannend machens die Grünen.
Von  Roman Hertler

Bei einem derartigen Resultat mag man es dem glänzend wiedergewählten Bruno Damann und der noch glänzender neugewählten Susanne Hartmann nachsehen, dass sich die beiden CVP-Kandidaten per Küsschen zur Wahl gratulierten. Vor laufender TV-Kamera. Und trotz Händeschüttelverbot in der Pfalz. Oder wollte Medizindamann damit andeuten, dass die grassierende Pandemie eigentlich gar nicht so schlimm ist?

Die freundschaftliche Nächstenliebe blieb allerdings innerkatholisch: Hartmann besann sich eines Besseren und entzog sich im letzten Moment einem Händedruck des nächsten, aber eben ausserparteilichen Gratulanten. Saiten schüttelt darob den Kopf, aber nur in der Armbeuge, und freut sich, dass am heutigen Frauentag wenigsten eine Frau den Einzug in die Regierung im ersten Wahlgang geschafft hat.

Urbane Stimmen machens spannend

Erleichterung auch bei den Sozialdemokratinnen: Laura Bucher wirkte gelöst nach der Bekanntgabe der Endergebnisse, auch wenn es nicht neu ist, dass die SP an Wahlsonntagen jeweils länger zittern muss, weil ihre Stimmen aus den urbanen Regionen kommen. Nach Auszählung von 73 der 77 St.Galler Gemeinden lag Bucher noch mit 4500 Stimmen hinter Beat Tinner (FDP) auf dem achten Platz. In der Tabelle änderte sich zwar nichts mehr, aber nachdem auch Gossau und St.Gallen ausgezählt waren, gelang es der Juristin und zweifachen Mutter aus St.Margrethen, nochmals 4000 Stimmen auf ihren Vordermann aus dem Werdenberg gut zu machen.

Die drei besten Kandidatinnen, die wohl zum zweiten Wahlgang antreten – Michael Götte (SVP), Beat Tinner und Laura Bucher –, trennen nur gerade 2000 Stimmen. Eine interessante Ausgangslage für den 19. April. Fragt sich nun, was die Grünen machen. Ihre Kandidatin, die Rapperswilerin Rahel Würmli, vereinte immerhin 41’000 Stimmen auf sich – nur 6000 weniger als Laura Bucher.

Der ungefährdet wiedergewählte SP-Regierungsrat Fredy Fässler geht davon aus, dass drei Personen zum zweiten Wahlgang für die zwei verbleibenden freien Sitze antreten werden. «Wenn vier ins Rennen steigen, fände ich das nicht sehr glücklich», liess er am Sonntagnachmittag mit vielsagendem Seitenblick ins grüne Lager verlauten. Der Grünenpräsident Thomas Schwager liess sich indes nicht in die Karten blicken. Auf Saitenanfrage sagte er, man werde in den nächsten 48 Stunden entscheiden, ob die Grünen nochmals antreten werden.

Alles andere als Bucher wäre eine Blamage für den Kanton

Klar ist: FDP und SP wollen ihren zweiten Regierungssitz im April verteidigen. Die SVP versucht trotz höchstem Wähleranteil im Kanton seit Jahren vergeblich, auf einen zweiten Sitz zu kommen. Und sie tut sich traditionell schwer in zweiten Wahlgängen. Das dürfte auch im April so sein, auch wenn ihr Kandidat Michael Götte sich in den vergangenen Jahren im Kantonsrat bemüht hat, sich einen moderateren Anstrich zu geben.

Als Enttäuschung muss der heutige Wahlsonntag für den Freisinn und den altgedienten Wartauer Gemeindepräsidenten und seit 20 Jahren im Kantonsrat gut vernetzten Beat Tinner gelten. Auch er verpasst das absolute Mehr und wird sich vermutlich am 19. April nochmals zur Wahl stellen.

Dass sich FDP und SVP auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen, scheint eher unwahrscheinlich. Die Frage ist, wohin die CVP-Stimmen wandern, die sich nach geglücktem erstem Wahlgang überhaupt noch mobilisieren lassen. Knapp ein Drittel der Berechtigten hat sich diesmal an die Urnen oder zum Briefkasten bemüht. Ob es im April mehr werden, darf bezweifelt werden.

Solange Grün – möglicherweise angespornt durch ihre aktuellen Parlamentswahlerfolge – nicht Ansprüche auf einen Regierungssitz stellt, scheint die Ausgangslage für Laura Bucher dennoch günstig. Nicht nur – aber eben doch auch – wegen des «Frauenbonus». Alles andere als eine zweite Frau in der Regierung wäre für den Nordnordostgrenzkanton eine Blamage.