Broken Record

Es vermag kaum zu erstaunen, dass jene Saison – vor allem die grottenschlechte Rückrunde des FC St.Gallen – die Fans noch immer nicht losgelassen hat. Während man beim ersten Heimspiel gegen die Young Boys noch mit einer gewissen Hoffnung ins Stadion gegangen ist, hat spätestens das Spiel in Sion diesen kleinen Funken Optimismus so sicher gelöscht, wie St.Gallen auswärts im Stade de Suisse nie gewinnt.
Bereits nach zwei Spielen haben wir St.Galler wieder das Gefühl, ein «broken record» zu sein, eine kaputte Schallplatte: Ein Sprung in der Platte verhindert, dass der Song weitergeht und stattdessen hängen wir an der immer gleichen Stelle fest. Bereits nach zwei Spielen scheint die gewohnte Leier des sportlichen Misserfolgs fortgesetzt zu werden. Wir hören schon jetzt die zynischen Kommentare zu einer weiteren Übergangssaison und sind versucht, in diesen Kanon einzustimmen.
25. Minute: «Hey, 25 Minute gspielt und no kei Goal kassiert!»
30. Minute, die ersten SMS kommen rein: «Erschreckend schwach!!!»
38. Minute: «Da isch dä erscht Schuss ufs Goal, womer die Saison gsehnd! Mindestens eine hemmer etz fürd Statistik.»
45. Minute: «Bi SG stimmt gar nünt, nöd emol s’Matchblatt.»
70. Minute: «Minimalziel Liga-Erhalt?! I würd sägä Maximalziel!»
Dann kommt in der 76. Minute Aleksics Traumtor: «Wenigstens dur Standard-Situatione gits ä Goal. Wa meinsch, wie lang hebäds?»
90. Minute, die letzten SMS kommen rein: «:( !!!»
Obwohl uns die Situation jetzt so vertraut erscheint: Eigentlich ist sie das gar nicht. Die Hinrunde war in den letzten Jahren jeweils ganz passabel. Eigentlich sollte es doch noch bis zur Rückrunde dauern, bis wir wieder an diesem Punkt angelangt sind? So früh das Gefühl zu haben, in einem endlosen Déja-Vu zu sitzen, ist selbst für uns erstaunlich.
Sowieso scheint Zynismus einmal mehr die einzige Möglichkeit zu sein, mit der Situation irgendwie umzugehen. Oder in der vielleicht etwas hoffnungsvolleren Version: Ironie. Schliesslich hat ein französischer Lyriker vor rund 100 Jahren mal gesagt: «Ironie ist die letzte Phase der Enttäuschung.»
Da hilft nur eins: sich auf die bewährten Rituale, die wir im SENF #06 thematisieren, besinnen. Sich auf ebendiese Ironie und den gewohnten Schalk verlassen. Und mit Freunden die kassierte Niederlage bei einem Bier verarbeiten. Gewinnen kann jeder. Verlieren kaum einer so gut wie wir.
Das Senf-Kollektiv besteht aus 15 fussballverrückten Frauen und Männern. Es gibt die St.Galler Fussballzeitschrift Senf («S’isch eigentli nume Fuessball») heraus und betreibt daneben auch einen Blog. Senf kommentiert auf saiten.ch das Geschehen auf und neben dem Fussballplatz.