, 31. Juli 2020
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Breaking: Jetzt spricht der Hecht!

Eine Boulevard-Zeitung schreibt über eine Hecht-Attacke in den Drei Weieren und die ganze Stadt steht Kopf. Saiten hatte Glück und erhielt ein Exklusiv-Interview mit dem Übeltäter.

Saiten konnte das vielgescholtene Tier exklusiv interviewen.

Er ist bereits eine Legende, ein nasses enfant terrible, als Schurke in den Medien verleumdet, als «aggressives Tier» verschrien. Der Hecht, der mutmasslich am Montag eine 32-jährige Frau im Mannenweier gebissen haben soll, findet sich im Kreuzfeuer der Kritik. Was der Täter zur ganzen Sache zu sagen hat, liest man nur hier.

Saiten: Guten Tag Herr – äh, wie heissen Sie überhaupt?

Hecht: Hans. Hans Echt. Mit diesem Namen wird klar, dass ich einerseits echt bin und andererseits auch ein Hecht. Brilliant, nicht?

Sicher, Sie sind ein ganz toller Hecht. Noch vor einer Woche kannte Sie kaum jemand. Jetzt stehen Sie plötzlich in der öffentlichen Kritik, weil Sie eine badende Frau im Mannenweier attackiert haben. War der Angriff politisch motiviert?

Erst einmal möchte ich mich in aller Form bei der Frau entschuldigen. Mich stört es überhaupt nicht, dass auch Frauen im Mannenweier baden. Im Gegenteil. Ich würde mich freuen, wenn auch einmal ein Fräulein Hecht bei mir wenden würde. Politisch war meine Tat sicher nicht motiviert. Ich bin grundsätzlich kein animal politique. Ich weiss nicht, was mich geritten hat. Ich war wohl einfach frustriert.

Wogegen richtet sich Ihr Frust denn?

(lacht) Was für eine Frage. Ihr Menschen befindet euch seit ein paar Monaten in einem seichten «Lockdown», der den Namen gar nicht verdient hat. Ich hingegen verbringe bereits fast mein ganzes Leben in diesem grüntrüben Tümpel, in dem man kaum die Flosse vor den Augen sieht. Wissen Sie, wie das ist? Manche der Badegäste duschen nicht einmal, bevor sie ins Wasser springen. Das Menschenwasser kitzelt so eklig in den Kiemen, besonders das wärmere. Und da ich, wie Sie vielleicht bemerkt haben, keine Augen auf dem Rücken habe, landen Badegäste teils direkt auf mir.

Das klingt schmerzhaft.

Ist es auch! Und jetzt, da ich einmal zugeschnappt habe, weil ich einfach enerviert war über die Lebenszustände von uns Stadtfischen, wird bereits diskutiert, ob man mich aus dem Teich entfernen soll. Mich! Noch kein einziges Mal stand zur Debatte, ob ein Gast das Badeareal verlassen soll, weil wieder mal einer auf meinem Kopf gelandet ist.

Was sollte man denn Ihrer Meinung nach tun?

Ein bisschen Verständnis wäre ganz schön. Wir Hechte sind Raubfische. Wir schnappen zu, sobald wir etwas für Nahrung halten. So ein kleiner Zeh oder auch einmal ein kapitaler Fuss ähneln halt gerne einem kleinen Fisch und damit meinem Zvieri. Das ist eben mein Naturell.

Wäre ein Umzug, den die Stadt St.Gallen vielleicht bald anbietet, nicht das Beste?

Ich könnte mir ein Leben in einem anderen Gewässer durchaus vorstellen. Es ist zwar schon cool, dass die Leute am Wochenende halbleere Alkoholflaschen in den Weier werfen, dann kann ich manchmal auch noch ein wenig auf den Putz hauen. Ab und an rieselt auch ein wenig weisses Pulver ins Wasser, dann geht die Party wieder drei Tage (lacht). Aber alleine ist das auf die Dauer gar nicht so lustig. Und jene Karpfen, die sich in meine Nähe wagen, sind unter uns gesagt ziemlich langweilige Dumpfbacken. Mit denen ist kaum ein anständiges Gespräch zu führen. Längerfristig ist das wohl kein Leben für mich.

Und was haben Sie jetzt vor?

Ich werde wohl noch jemanden beissen, um den städtischen Umzugsplänen etwas nachzuhelfen. Dieses Mal aber einen Mann. Wissen Sie, was bei denen auch ein bisschen aussieht, wie ein kleiner Fisch? (lacht)

Hans Echt (2015) ist ein Hecht aus dem Mannenweier. Aufgewachsen ist er im Bubenweiher. Nach der Sekundarschule schloss er eine Lehre zum Metallbauschlosser ab. Er ist alleinschwimmend und lebt seit seiner Geburt in den drei Weieren.

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