Bloss nicht clean und nett werden

Zum ersten Mal findet das Berner Norient Musikfilm-Festival auch im Palace statt. Die Veranstalter sind Musikfreaks, die ihren Prinzipien treu bleiben. Das Programm überrascht, etwa mit ägyptischer Hochzeitsmusik oder einem Dok-Film über 8-Bit-Musik. von Sarah Schmalz
Von  Gastbeitrag

Rasant, schrill und repetitiv bis zum Ekstatischen: Der Sound des ägyptischen Hochzeitsmusikers Islam Chipsy ist ein orientalisches Feuerwerk – und sprengt mit seiner Radikalität die gängigen Klischees. Islam Chipsy kommt ohne traditionelle Oud-Laute oder Sitar aus, stattdessen fliegen seine Hände virtuos über die Tasten eines Keyboards. Am Freitag spielt der aufstrebende ägyptische Musiker im Palace sein erstes Schweizer Konzert – dem Verein Norient (Network for Local and Global Sounds and Media Culture) sei Dank. Dessen Musikfilm-Festival, das in Bern bereits zum sechsten Mal über die Bühne geht, findet dieses Jahr zum ersten Mal auch in St.Gallen statt.

 

 

Eine Affinität zum arabischen Raum

Norient, das sind die Musikethnologen und Musikjournalisten Theresa Beyer, Thomas Burkhalter und Hannes Liechti, der Musikproduzent Simon Grab und der Videokünstler Michael Spahr. Die Klangsucher stöbern weltweit in Nischen. An der Schnittstelle zwischen Musik und Videokunst sind sie immer auf der Suche nach dem Eigenständigen. «Wir sind Musikfreaks», sagt Thomas Burkhhalter. «Ich muss spüren, dass jemand seine eigenen Positionen kreiert, dass bekannter Sound anders konzipiert wird, dass er frisch und prägnant ist.»

Der Fokus auf die arabische Welt sowohl bei den Konzerten als auch bei den ausgewählten Musikfilmen ist weder Konzept noch Zufall. Man habe nicht bewusst einen Themenschwerpunkt setzten wollen, sagt Burkhalter, «sondern einen Blumenstrauss aus dem für uns zeigenswertesten Schaffen zusammengestellt.» Doch die Affinität zum arabischen Raum ist gross. En Jahr hat Burkhalter in Beirut gelebt und die Klänge der Mittelmeer-Metropole erforscht. Die wachsende subkulturelle Musikszene des krisengebeutelten Orients bezeichnet er als erstaunlich vielfältig. Noch immer sei die Szene zwar klein, jedoch sehr innovativ und gut vernetzt. Es gebe ein wachsendes Publikum für Genres wie Rock, Metal, Pop oder Elektronische Musik. Das beweist auch der Film «City of Sounds», der am Freitag vor dem Konzert von Islam Chipsy im Palace läuft. Er zeigt die Nachwehen der ägyptischen Revolution aus der Perspektive der Musiker Kairos.

Kein World-Music-Festival

Trotz internationalen Sounds: Mit einem Ethno-Festival will Burkhalter den Norient-Anlass nicht verwechselt sehen. Nicht Weltmusik, sondern «Musik in der globalisierten und digitalisierten Welt» trage der Verein zusammen. Auf den arabisch geprägten Freitag folgen im Palace am Samstag die audiovisuelle Live-Performance «Bsynthome» des renommierten deutschen Visual-Kollektivs Transforma und des französischen Video-Künstlers Yro. Danach zeigt Norient einen Dokumentarfilm über europäische 8-bit Gameboy-Musik. Der Film mit dem Titel «Looking for the Perfect Beat» eigt etwa die Musiker Thundercat, Gaslamp Killer oder Daedelus beim Produzieren nerdiger Beats und träumerisch-verschwommener Loops. Das tönt dann in etwa so:

 

 

In Bern, wo das Norient Musikfilm-Festival während vier Tagen im Kino der Reithalle stattfindet, war der Ansturm in den vergangenen Jahren zu gross geworden für den relativ kleinen Saal. Doch Burkhalter ist überzeugt, dass der Umzug in ein kommerzielles Kino dem Anlass geschadet hätte. Man habe das Festival unbedingt davor bewahren wollen, «clean und nett zu werden». Und sich deshalb an die Veranstalter des Palace gewandt: St.Gallen soll sich nun als zweiter Veranstaltungsort etablieren.

 

Norient Musikfilm-Festival im Palace: Freitag, 16. und Samstag, 17. Januar.
Weitere Infos: palace.sg, norient.com.

Bild: Das Visual-Kollektiv Transforma tritt am Samstag mit dem Videokünstler Yro auf.