Blocher besetzt die Medienprovinz

Die BaZ Holding soll den Wiler Gratiszeitungsverlag Zehnder ohne politischen Hintergedanken gekauft haben. So stellten am Mittwoch die Käufer um Milliardär Christoph Blocher den Deal dar. Aber es spricht vieles dafür, dass die SVP auf längere Sicht die politische Ausrichtung vorgeben wird.
Von  Harry Rosenbaum

Fakt ist, dass Blocher viel daran gelegen ist, sich auch als Medien-«Mogul» vom Format eines Silvio Berlusconi oder eines Rupert Murdoch zu etablieren. Dafür braucht es eine inhaltliche Markierung.

Blocher stand Roger Köppel als Patenonkel zur Seite, als dieser die «Weltwoche» erwarb. Heute ist Köppel SVP-Parteisoldat und seine Wochenzeitung ein rechtspopulistisches Kampfblatt. Selber in die Schatulle gegriffen hat der Milliardär, als es um den Kauf der «BaslerZeitung» ging. Zu einem Drittel ist Blocher über die BaZ Holding zusammen mit Chefredaktor Markus Somm und VR-Präsident Rolf Bollmann Teilhaber an dem Blatt, das wie jetzt bei den Zehnder-Blättern auch mal Einkäufer spielt.

Dies hatte Blocher früher schon probiert. Es gab sein Kaufangebot von 230 Millionen Franken an Ringier für die «Blick»-Gruppe. Und es gab seine Drohung, eine Gratis-Sonntagszeitung zu lancieren, um die grossen Verlage Tamedia, NZZ Mediengruppe, Ringier und AZ-Medien ins Bockshorn zu jagen.

Jetzt heisst es bei der BaZ Holding schon fast verschämt, man habe die Zehnder-Blätter nur gekauft, um die vierte Kraft unter den grossen Schweizer Mediengruppen zu werden. Aber warum will man diese «vierte Kraft» sein; etwa aus blossem Ehrgeiz? Das schreit nach Erklärung.

Inhaltlich schon jetzt SVP-nahe

Man kann auch das als Fakt betrachten: Blocher musste jetzt aktiv werden, wenn er mit seinen 76 Jahren noch etwas in der Schweizer Medienwelt bewegen will. Der zum Verkauf stehende Wiler Wochenzeitungsverlag zählt 25 Titel, die in 16 Gebieten der Ost- und Zentralschweiz sowie in den Kantonen Aargau, Solothurn, Bern und Zürich erscheinen und von 11 Redaktionen betreut werden. Die Blätter erscheinen in einer Gesamtauflage von rund 720’000 Exemplaren und erreichen in den Städten und Dörfern des Verbreitungsgebiets annähernd 800’000 Leser und Leserinnen. Hochgerechnet nahezu eine Million Menschen: Einem wie Blocher kann diese Zahl medial nicht einfach schnuppe sein.

Die unter Zehnder-Ägide bieder und publizistisch ambitionslos daherkommenden Blätter sind lokal und regional bei der Leserschaft und vor allem auch bei den Inserenten wegen des geringen Streuverlustes gut verankert. In ihrer politischen Grundhaltung sind sie rechtskonservativ, also der SVP nahestehend. In allen Zehnder-Gratisblättern im Land tritt seit Jahren Charly Pichler als Verlagsautor auf.

Seine Kolumnen können mal auch fremdenfeindlich und rassistisch ausfallen. So etwa die Geschichte «Mechmed Z. liebt unsere Gesetze», wo es um einen Asylbewerber geht, der angeblich 6000 Franken monatlich vom Staat abkassierte. Der Fall wurde von der «Weltwoche» aufgegriffen und brachte Pichler eine Rüge des Presserats ein. Auch mit dem Antirassismus-Artikel ist der Verlagsschreiber schon in Konflikt geraten.

Leichte Zuwächse bei den Inseraten

Laut Verleger Andreas Zehnder verzeichnen seine Blätter bei den Inseraten leichte Zuwächse. Warum er sich jetzt trotzdem davon trennt, hat mit seiner langfristigen Einschätzung des Printmedienmarktes zu tun. In etwa 20 Jahren, so seine Annahme, könnte er als Familienunternehmen mit den Gratis-Wochenzeitungen nicht mehr bestehen. Den Zeitungsdruck hat er schon 2015 wegen der Überkapazitäten in der Branche und wegen des Drucks auf die Marktpreise aufgegeben. Auch suchte er seit geraumer nach einem Käufer der Gratisblätter. Ein grosser Verlag, dem er die Titel anbot, lehnte aber dankend ab.

Für Blocher und seine SVP ist das Paket aus Wil Gold wert. Die Partei hat starke lokale und regionale Sektionen, aber keine Zeitungen, um die SVP-Politik auch unter die Leute zu bringen. Seitens der BaZ Holding heisst es vorerst sanftmütig, dass die zugekauften Gratisblätter jetzt nicht zu SVP-Kampfblättern umfunktioniert werden sollen. Man will ihnen redaktionelle Unabhängigkeit gewähren. Wahrscheinlich ist das sogar ehrlich gemeint. Denn die Gleichschaltung auf einen Schlag wäre Gift. Das würde in unbekannter Zahl Leser und Inserenten in die Flucht treiben.

Die Zehnder-Blätter lassen sich politisch sehr viel subtiler einsetzten, beispielsweise vor Abstimmungen und Wahlen als temporäre SVP-Plattformen. Ökonomisch vernünftig, weil so keine teuren Abstimmungs-Kampagnen mehr mit Extrazeitungen geführt werden müsste. Das wäre dann gewissermassen eine neue Art von Parteipresse.

Welte ist «total überrascht»

Die St. Galler Nachrichten, seit den 1980er-Jahren beim Zehnder Verlag, waren unter dem heute pensionierten Chefredaktor Franz Welte das einzige Blatt des Wiler Verlags mit einem politischen Profil. «Der Verkauf an die BaZ Holding hat mich total überrascht», sagt Welte, der heute noch gelegentlich für das Blatt schreibt. «Ich hoffe, dass die redaktionelle Ausrichtung überparteilich bleibt. Diese Positionierung hat in all den Jahren gut funktioniert.» Welte nimmt an, dass vor Abstimmungen und Wahlen die St. Galler Nachrichten etwas SVP-lastig werden, dass die Inhalte aber sonst offen bleiben.

Die neuen Besitzverhältnisse waren in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung kein Thema. Sie erschien erstmals bereits am Mittwoch statt am Donnerstag und versprach im Editorial «weiterhin Vertiefung, Einordnung, Hintergrund». Eine dieser «Einordnungen»: Die IHK durfte in einem Podiumsbeitrag gegen die AHV-Reform schreiben.