Blind an der Uni

Jung, dynamisch, erfolgreich – so viel zum Credo der Arbeitswelt. Was aber, wenn jemand zudem noch blind oder sehbehindert ist? Auch darüber wurde gestern am Begegnungstag an der Uni St.Gallen diskutiert. von Cornel Amerraye
Von  Gastbeitrag

14-11-25_Begegnungszone_2Dienstag, 14.15 Uhr, Universität St.Gallen: Im Raum 09-011 startet die Vorlesung von Professor Thomas Geiser zum Thema Scheidungsrecht. Eine ganz normale Vorlesung, würde man meinen, wären da nicht die vielen weissen Stöcke – und sogar ein Hund. Nebst den Studierenden sind nämlich auch Sehbehinderte und Blinde anwesend.

Die Treppe: hoch oder runter?

Die Studentenschaft der Uni St.Gallen hat den Ostschweizerischen Blindenfürsorgeverein OBV zum Begegnungstag eingeladen. Dabei soll sehbehinderten Menschen ein Einblick in die St.Galler Universität ermöglicht werden, gleichzeitig sollen die Studierenden aber auch erleben, was es heisst, mit einem Handicap durchs Leben zu gehen.

Sensibilisierung ist also angesagt. Diese geschieht zum Beispiel in einem Workshop – oder schon davor: «Als ich vorhin einen Blinden begleitete, merkte ich, dass es nicht reicht, wenn ich sage, dass gleich eine Treppe kommt. Relevant ist, ob die hoch oder runter geht», erzählt eine Studentin.

«Was braucht es, damit Integration von sehbehinderten, blinden Menschen in ihrem zukünftigen Unternehmen gelingt», lautet die Fragestellung eines Workshops für zukünftige Kaderleute. Die Rezepte wären denkbar einfach, müssen aber noch gedacht werden, stellen die Studentinnen und Studenten erstaunt fest. Etwa wenn eine Blinde erklärt, wie mühsam es ist, dass die Menu-Tafel mitten im Gang der Mensa steht – womöglich noch jeden Tag an einem anderen Ort.

Gute Beleuchtung und bauliche Kontraste erwünscht

Auch nachvollziehbar, aber offenbar dennoch unüblich: In öffentlichen Gebäuden sollten Toiletten auf jedem Stockwerk am gleichen Ort zu finden sein. Generell plädieren die Sehbehinderten in der Runde für mehr bauliche Kontraste sowie gute Beleuchtung. Ausserdem sollten im Lern- und Arbeitsalltag Hilfsmittel wie Monokular, Zoomsoftware oder Programme zum Vorlesen vorhanden sein.

Die Begegnung mit Blinden fand im Rahmen der «Begegnungszone Universität» zum ersten Mal statt, soll aber nächstes Jahr wiederholt werden. Der Tag wurde von den Studentinnen Carolin Baumgartner und Karin Kloeti als Teil der Studentenschaft in Zusammenarbeit mit diversen Stellen der Universität und dem Ostschweizerische Blindenfürsorgeverein OBV organisiert. Eine sympathische Aktion der St.Galler Kaderschmiede, konnten ihre Studierenden doch auf unkomplizierte und ungezwungene Art auf Menschen mit einem Handicap treffen – und diese im Gegenzug Uni-Luft schnuppern.

 

Bilder: Livia Eichenberger