Bison-Entrecôte pour «Tout Saint-Gall»
St.Gallen feiert CSIO – ein sportlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Grossanlass, für Chefkoch Jan Brosinsky aber vor allem ein professioneller. Saiten schaute ihm und seiner Crew über die Schultern.

Wenn die besten Pferde aus dem Stall geholt werden, wenn sich im Gründenmoos die Sportwagen aneinanderreihen, wenn sich dort mehr Hunde als Kinder tummeln und die Polizisten Glace essen, dann ist CSIO. Und dann pilgert alles, was Rang und Namen hat in der Ostschweiz, an die samstägliche Pferdesportnacht, wo jeweils die wichtigen Hände geschüttelt werden – wenn sie denn nicht gefüllt sind mit Leckerbissen aus der Küche von Radisson-Chefkoch Jan Brosinsky.
110 Angestellte und ein 50-Kilo-Thunfisch
Das Motto der (mittlerweile neunten) Pferdesportnacht: «Jump & Jazz». Für 245 Franken hätte man dabei sein können am hochkarätigen «Flying Dinner», ausgerichtet von der Radisson-Crew, die bereits seit 2005 am CSIO arbeitet. Für den Appetit ein paar Zahlen:
- Während der fünf CSIO-Tage bereitet das Radisson-Team über 10’000 Menus zu, ungefähr 1200 pro Tag, am Wochenende sogar bis zu 1700.
- Vier Monate im Voraus beginnt Küchenchef Jan Brosinsky mit den Vorbereitungen, wählt die Zutaten aus, tüftelt an Rezepten und lädt zu Testessen.
- 50 Kilogramm wiegt der Thunfisch aus dem Atlantik – von Brosinsky live am «Jump & Jazz» filetiert –, der an der Sushi-Bar von einem chinesischen Profi zu Sashimi verarbeitet wird.
- Über 30 Kilometer, so sagt das Schrittzähler-App, legt ein Logistiker des Radisson-Teams am CSIO täglich zurück, während er Regale auffüllt, Abfall entsorgt oder Maschinen wartet.
- Drei Waschstrassen und eine Gläserstation sind im CSIO-Dauereinsatz; je eine für die Partner-Zelte von Notenstein, Vadian-Bank, Radisson und Co. rechts der Tribüne, die restlichen im gegenüberliegenden Longines-Logen-Zelt, wo auch die Pferdesportnacht stattfindet.
- Die Torte inklusive Springbrunnen ist eine Sonderanfertigung und reicht für 100 Personen. Sie koste etwa 1000 Franken und eine Woche Arbeit, sagt Caterer Marco Leo, den eigens konstruierten Unterbau miteingerechnet.
- Dieses Jahr sind erstmals 25 Absolventinnen und Absolventen der Hotelfachschule Luzern im Einsatz. «Weil ich einen Ausbildungs-Beitrag leisten will», erklärt Brosinsky und fügt an: «Vielleicht gelingt es uns sogar, einige an den Standort St.Gallen zu locken nach dem Abschluss.»
- Die 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellt der Chefkoch jedes Jahr eigens für den CSIO ein. Von seinem Stamm-Personal im Radisson Hotel nimmt Brosinsky nur eine Handvoll mit.
Ab 8 Uhr heisst es: tranchieren, drapieren, servieren
Vom Getümmel im Reitstadion bekommen die Köche, Gastro-Profis, Logistiker und Reinigungskräfte kaum etwas mit. Während draussen das Jagdspringen zu Ehren von «Mr. CSIO» Peter Stössel stattfindet (und ein Pippi-Langstrumpf-Kinder-Musical und ein Parasport-Turnier von Reiterinnen mit körperlichen Handicaps und ein Dudelsack-Konzert), wird in den weissen Zelten rechts und links der Tribüne tranchiert, drapiert und serviert. Seit dem allmorgendlichen Acht-Uhr-Briefing sitzt man hier im metaphorischen Sattel.
Die Stimmung ist gut, jetzt gegen 16 Uhr, wo die Vorbereitungen für das abendliche Dinner so gut wie abgeschlossen sind. Manche nutzen die kurze Pause für ein Nickerchen, andere gehen unter die Dusche oder sitzen gemütlich in der Sonne. Man kennt sich. Viele der Angestellten stammen ursprünglich aus Deutschland oder Österreich, auch Supervisor Tom Niedermeier und Thomas, einer von drei Logistikern. Ab Montag werden die beiden wieder in ihre Jobs zurückkehren, nach Zürich und Sirnach. «Wir nehmen seit vier respektive acht Jahren eigens eine Woche CSIO-Urlaub. Das machen viele», wissen sie, «nicht nur des Geldes wegen, sondern hauptsächlich weil es auch für uns ein alljährliches Highlight ist».
Explizit will man hinter den Kulissen nicht über Geld sprechen, ebenso wenig wie vermutlich auch die Gäste davor. Unzufrieden scheint jedoch niemand, im Gegenteil. «Wir zahlen vergleichsweise gut, das stimmt», erklärt Brosinsky, «aber die hiesige Gastro-Szene besteht nun mal zu einem grossen Teil aus Fachkräften aus Deutschland und Österreich, das spiegelt sich auch im CSIO-Team».
Winiger und Diallo unterhalten St.Gallen
Liegt es daran, dass den Schweizer Fachkräften der übliche Branchenlohn zu niedrig ist? «Gut möglich», meint Projektleiter Martin Lemke, «jedenfalls habe ich das schon erlebt». Im Fall des CSIO liege es aber eher am eingespielten Stamm-Team, das sich bereits seit Jahren im Gründenmoos trifft. Ob Schweizerinnen und Schweizer ebenfalls eine Woche Ferien opfern würden für den erstklassigen CSIO-Stundenlohn, können Lempke und seine deutschen Kollegen nicht sagen. Man könnte in der VIP-Loge nachfragen.
Dort ist die Stimmung ebenso locker wie hinten in der Küche, nicht zuletzt dank der Jazzer des Claude Diallo Trios. Ausserdem führt eine strahlende Melanie Winiger «Tout Saint-Gall» durch den Abend. Dieser läuft dann auch wie am Schnürchen. Ständig kommen neue Tabletts mit Spargel-Risotto, Wachtelbrust, Randen-Biskuits oder überbackenen Austern aus der unsichtbaren Küche. Nichts ist zu spüren von der Hektik in der engen Küchenschneise. Die Service-Profis gleiten geschmeidig von Tisch zu Tisch, nur ihre geröteten Wangen verraten, dass sie ihr Schritttempo verdoppeln, sobald sie hinter dem Vorhang verschwunden sind.
250 zufriedene Gäste und ein Chefkoch
Die Küche gleicht einem Bienenstock: Ganz hinten wird abgewaschen, Projektleiter Martin Lemke packt vorne beim Leergut mit an, Logistiker Thomas befüllt die Kühlschränke, Supervisorin Katja Sommerfeld koordiniert die Abläufe, das Personal jongliert Geschirr an ihr vorbei und mitten drin steht ein zufriedener Jan Brosinsky. Etwa 250 Gäste verpflegen er und sein Team an diesen Samstag – «was zwar anstrengend ist, aber jeweils auch eine grosse Genugtuung».
An den Trinkgeld-Gerüchten sei übrigens wenig Wahres, sagen Brosinsky und Niedermeier. Es stimmt also nicht, dass am CSIO von Zeit zu Zeit auch mal ein Tausendernötli fürs Personal abfällt? «Höchst selten», relativiert Niedermeier, «ausserdem fliessen die Trinkgelder allesamt in einen gemeinsamen Topf, der anschliessend gleichmässig verteilt wird». Sind die CSIO-VIPs demnach gar nicht so «zutraulich» wie manche behaupten? Der Supervisor wägt ab. «Doch, ja, die meisten sind äusserst freundlich. Mit herablassenden Gästen habe ich es selten zu tun in St.Gallen», meint er schliesslich und verlangt nach mehr Stoff-Servietten. Dann wird er ins Nachbarzelt gerufen, wo die mehrstöckige CSIO-Torte wartet.
Bis auch der Feierabend auf den Supervisor wartet, wird die extravagante Torte wohl längst verputzt sein, aber das dauert noch – gut und gerne bis in die Morgenstunden. Der krönende Abschluss quasi, lacht Niedermeier zum Abschied und verschwindet im Dunkel zwischen den Champagnerzelten, wo es auch nachts um elf noch Apéro gibt.
Das Menu en détail des Teams Brosinsky:
- Lachs Bruschetta
- Früchtebrot mit französischem Brie
- Gefüllte Weinblätter auf Tomatenpulpe
- Randenbisquit mit Fenchel
- Schafskäsemousse an gebackenen Feigen
- Grillierter Bärenkrebs auf Avocadocreme
- Wachtelbrust auf Waldorfsalat
- Sushi Bar:
Sashimi Thunfisch und Lachs, Thunfisch und Steinbutt Nigiri, Inside out Spice Shrimp, Zucchini, French Roll
- Austern mit Sauce Bernaise überbacken
- Marinierter Lammspiess mit Honig und Thymian auf Ratatouille
- Pata Negra Filet, Taglierini, Morchelsauce
- Reibekuchen mit Kaviarschmand
- Showküche:
Gebratener Thunfisch und Steinbutt, Bison Entrecôte mit Spargelrisotto
- Crème brûlée
- Orangen-Griessflammeri mit Heidelbeeren
- Karamell-Schokoladenmousse
- Tonkabohneneis mit frischen Erdbeeren
- Dessertüberraschung «Spring Challenge»