Bis zum bitteren Abgang

Göldin & Bit-Tuners neues Album UFF ist mehr als ein Kommentar zur Lage der Nation. Der beste musikalische Jahresrückblick 2020 hat es in sich und wird vermutlich in einem Kater enden. Im besten Fall.
Von  Corinne Riedener
Göldin (Daniel Ryser) und Bit-Tuner (Marcel Gschwend). Bild: Giulia Spek

UFF. Wie treffend. Dieses Album ist ähnlich abgefuckt wie die Zeit, in der wir leben. Wobei, nach den Ereignissen vom Mittwoch in den USA ist es schon fast eine Wohltat, wieder «nur» ein bisschen Pandemie und Kapitalismus in den Ohren zu haben.

Davon handelt UFF nämlich grösstenteils. Mit allen substanziellen Auswüchsen, die so ein Lockdown mitbringt, sofern man (noch) keine Kinder zu versorgen hat oder 80-Stunden-Wochen in einem systemrelevanten Betrieb schiebt.

Wie so oft bei Göldin und Bit-Tuner ist alles ein bisschen szenig, kryptisch, zynisch, doppeldeutig. Gespickt mit diversen Zitaten und Versatzstücken. Keine Ahnung, ob ein Satz genau so gemeint oder eine Referenz auf irgendein mega cooles popkulturelles Werk ist, das mir selbstverständlich völlig unbekannt ist. Mais bon, ich war schon immer zu uncool für Göldin & Bit-Tuner.

Dabei will ich doch eigentlich auch so verdammt cool sein und meine Kaputtness öffentlich zelebrieren und abfeiern können. Und nebenbei Pflastersteinsätze ballern wie: «Alte Ma stirbt, chlises Meitli läbt – Fairtrade.»

So endet der Opener #mikeskinner, eine Abrechnung mit neun Monaten Corona-Ausnahmezustand, in denen mehr gefickt und mehr gestorben wurde als normalerweise. Der Track ist eine, wenn man so will, zeitgenössische Adaption von The Streets Ansage Turn The Page (2002), inklusive Jungle, Garage Beats und Jimi Hendrix.

Auch Russisch? Bulgarisch? würde ich gerne können. Dann hätte ich möglicherweise verstanden, was Raw Flaw in Albisriede Altstette Hardbrugg Milchbuck rappt. Tönt jedenfalls sexy und hat wohl etwas mit rassigem Autofahren zu tun. Darf man ja noch während Corona. Obwohl man die 30 Kilometer auch mit dem Velo machen könnte – was bei der aktuellen Wetterlage auch sehr, sehr cool wäre.

 

Auch Manuel Stahlberger wurde mit Corona noch cooler. Er singt jetzt auf Autotune, während Göldin & Bit-Tuner auf Martini, Cognac und anderen Substanzen in White Dreams Weisse Träume abgleiten. Sehr eingängig, man kann den dreien nachfühlen. Gerade am Mittwoch in Washington hat man ja wieder sehen können, dass die White Dreams eben eher wahr werden als die der anderen.

Bring da Ruckus wäre eine Antwort darauf, auf die systemische Ungerechtigkeit und allgemein auf den Zustand der Welt. Leider können die Wu Tang-Schwerter wohl nicht viel ausrichten gegen schmelzende Polkappen, unterbezahltes Pflegepersonal oder den Überwachungsstaat. Da hilft wohl nur noch die Liebe, die Milena Patagônia like Erykah Badu famos besingt.

Göldin & Bit-Tuner: UFF. Erschienen bei Blaublau Records.

Oder ein Ausflug ins Dolder Spa mit Christoph Liniensnief und einem Gramm Koks im Sack. Auch das ein ganz cooler Dude. Hockt im Grand Hotel Abgrund mit seiner Versace-Jacke und nimmt das Ganze eher gelassen. Wer will da nicht mitziehen.

Wobei die Nachwehen beträchtlich wären. Und ebenso das Loch im Portemonnaie. Also doch zurück zur Liebe. Jede gute Platte braucht ein Liebeslied, hat mal jemand gesagt, und in diesem Fall heisst es Hungry Hearts. Milena Patagônia, Göldin & Bit Tuner orientieren sich dafür an Miike Snows Heart is Full – und plötzlich will man alt werden, statt jung und wild zu sterben. So schön kanns gehen.

Wäre da nicht der Rest der Welt, der nicht eben auf Liebe und Eintracht getrimmt ist. Der Soundtrack zur kapitalistischen Endlosgeisterfahrt, auf der mit der Pandemie immer neue Geschwindigkeitsrekorde gebrochen werden, müsste Alli Gege Alli heissen. Genau so stetig und monoton wird unser Untergang.

Was nicht heisst, dass wir es uns währenddessen nicht noch ein bisschen gutgehen lassen können wie die Skifahrerinnen landauf und landab. Hin und wieder einen Kommentar zur Lage der Nation hören und uns mit Christoph Liniensnief hinter dem BAG verkriechen. Falco und die Jungen Roemer habens vorgemacht, bis zum bitteren Abgang.