Bildet queere Banden!
Spätestens als die Psychokillermasken in Edelweisshemden piccoloblasend die kleinbasler Gasse runtertorkeln, ist mir das Räppli gefallen. Folklore bleibt Folklore. Basel ist auch nur ein grösseres Hundwil.
Der Wahnsinn beginnt schon im ICE. Ein älterer deutscher Mitreisender fragt eine ältere Frau, die zuvor interessiert 20Minuten gelesen hat, kurz vor Ankunft in Basel, ob sie denn auch zu diesem Fasching gehe. Sie bejaht in dieser schweizerischen Zurückhaltung, die man auch Bonzenparanoia nennen könnte. Eine weitere Mitreisende mischt sich in das Gespräch ein und gibt der Szene eine dramatische Wendung. «DRY SCHEENSCHTE DÄG IM JOHR!» lässt sie mit einem unheimlichen Gesichtsausruck verlauten, fügt dieser dreisten Aussage keine empirischen Belege an und schliesst jeglichen Widerspruch kategorisch aus. Den freundlichen Fragenden korrigiert sie vehement: «Es isch d’Faasnacht, nit s’Fasching».
In Basel ist also eine knappe Woche nach Aschermittwoch fucking Karneval und alles ist ein bisschen anders. Die Konfetti, diese Papierverschwendung, die nur von der Printausgabe der Basler Zeitung getoppt wird, heissen hier nicht Konfetti, sondern Räppli. Die Guggen spielen keinen Alkopop auf verbeulten Trompeten, sondern Mordversuche an den individuellen Gehörorganen auf der schlimmsten menschlichen Erfindung direkt nach Krieg und der FDP: dem Piccolo. Nennt man diese Guggen aber öffentlich Guggen, wird der besoffene Beppi am Tisch nebenan zum lokalpatriotischen Monster: Da auch das hier ein bisschen anders sein muss, heissen sie nämlich nicht Guggen, sondern Gliggen.
Wer jetzt unbedingt das Spezielle an der Basler-Fasnacht hervorgekehrt haben möchte, soll die Bildergalerien in schlechteren Zeitungen zur Hand nehmen oder einen dieser Witzabende besuchen, die in dieser Zeit des Jahres Schnitzelbängg genannt werden, da Witze auf Baseldytsch lustiger sind als auf Hintertoggenburgianisch.
Tatsächlich ist die Basler Fasnacht aber ein stunknormales Karnevalfasching wie alle anderen winterlichen Dorfsüffe vor der Fastenzeit auch. Es geht im Kern bei all diesen schlechten Partys einzig und allein darum, dass normale Ottos von den grossen Vorzügen der Anomalie nicht vollständig ausgeschlossen sind. Diese geplante Anomalie ist aber eine Art polizeilicher Rohrkrepierer, ein Furz voll Anarchie als Ausrede, um nicht über die Möglichkeit von dryhundertfünfesächzig scheenschte Däg im Johr sprechen zu müssen.
Planen wir also die Ekstase an einem Arbeitsmorgen in der Fastenzeit, lösen wir die Fasnachtsdepressionen mit einem erbauenden Gespräch über Sex in Kirchen oder die ideale Gewürzmischung zu einer fettigen Menschenfleischpastete. Statt zu Piccolos böte sich der Tanz zu Baustellennoise im Industriequartier an, und ein bisschen mehr Drag im Grossraumbüro würde die unbedingte Notwendigkeit von Räppli und Gliggen auch einigermassen erübrigen. Bilden wir queere Banden! Jederzeit und überall.