, 6. März 2015
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1500 gutgeschriebene Stunden

Zeitvorsorge: Das Pilotprojekt ist vor zehn Monaten in St.Gallen gestartet worden und entwickelt sich – wie es der demografische Wandel unserer Gesellschaft verlangt – zu einem weiteren Standbein für die Altersvorsorge.

Zeitvorsorge ist ein Zeitgutschriften-System zur Betreuung und Unterstützung hilfsbedürftiger älterer Menschen. Fitte Rentner und Rentnerinnen (die Zeitvorsorgenden) leisten im Austausch gegen Zeitgutschriften häusliche Unterstützungsdienste für hilfsbedürftige Betagte (die Leistungsbeziehenden).

Heute leisten rund 44 Zeitvorsorgende (Ende 2014 waren es noch 33) ihren Dienst im freiwilligen Netzwerk. Über 1500 Zeitvorsorge-Stunden insgesamt konnten schon gutgeschrieben werden. – Wir haben mit der Geschäftsführerin der Stiftung Zeitvorsorge, Priska Muggli, gesprochen:

 

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Priska Muggli

Haben Sie mit dieser guten Anfangsbilanz gerechnet?

Priska Muggli: Unmittelbar nach der Vorstellung des St.Galler Zeitvorsorgeprojekts im Juni 2014 haben sich viele gemeldet, die an einem Einsatz als Zeitvorsorgende interessiert waren. Ich rechnete schon mit einer Nachfrage-Überflutung und wusste, dass die Organisation so vieler Einsätze zu einer Herausforderung werden würde. Ich war daher froh, dass die Nachfrage wieder etwas abgenommen hat, weil wir damals erst mit drei Einsatzorganisationen zusammenarbeiteten. Heute sind es bereits neun, dazu ghören unter anderem die Spitex Centrum, die Pro Senectute Regionalstelle St.Gallen, der Rotkreuz-Fahrdienst und auch kirchliche Organisationen. Ziel ist es, in diesem Jahr noch zwei bis drei weitere Einsatzorganisationen zu gewinnen.

Was ist denn die Aufgabe dieser Einsatzorganisationen?

Sie klären die Bedarfslage ab, damit wir wissen, wo die Leute sind, die eine Leistung beziehen wollen und orientieren uns auch über deren individuelle Bedürfnisse. Anhand dieser Abklärungen können wir dann die passenden Zeitvorsorgenden finden. Diese Koordination ist Voraussetzung für unsere Arbeit.

In welchen Lebensbereichen spielen sich diese Einsätze hauptsächlich ab?

Nach unseren bisherigen Erfahrungen vor allem dort, wo die Lebensqualität verbessert werden kann. Das können Gespräche, Spaziergänge, Einkäufe oder auch Kaffeebesuche sein, zu denen sich die Zeitvorsorgenden mit den Leistungsbeziehenden verabreden. Weiter gibt es auch Einsätze, mit denen Angehörige entlastet werden sollen, Ehepartnerinnen oder Ehepartner etwa.

Wo gibt es Schwierigkeiten?

Wir wünschten uns noch mehr Leistungsbeziehende. Offenbar fällt es vielen schwer, Hilfe anzunehmen oder anzufordern. Selbstverständlich können sich Interessierte direkt an uns wenden, es ist aber auch wichtig, dass Sozialdienste, Pfarreien und andere vertrauenswürdige Organisationen auf unser Angebot aufmerksam machen. Interessant ist auch, dass Frauen, die gerne die Gesellschaft eines anderen Menschen hätten, sich dafür mehrheitlich eine Frau suchen. Einzelne befürchten, es könnte in der Nachbarschaft getratscht werden, wenn sie in Gesellschaft eines Mannes wären. Das ist nicht ganz richtig…

Wie ist denn das Geschlechterverhältnis bei den Zeitvorsorgenden?

Wir unterscheiden zwischen dem Status «Interessiert» und «Aktiv»: Interessierte sind Zeitvorsorgende, die noch auf einen Einsatz warten, Aktive leisten bereits Einsätze. Unter den Aktiven gab es Ende 2014 rund 22 Frauen und 11 Männer. Zusammen mit den Interessierten waren es insgesamt 26 Frauen und 19 Männer.

Und wie verhält es sich mit deren Leistungsangeboten?

Bei den Frauen melden sich viele mit einer breiten, sehr flexiblen Angebotspalette. Männer hingegen kommen in der Regel mit klar definierten, spezifischen Angeboten. Sie wollen beispielsweise Schnee schaufeln, handwerkliche oder auch administrative Arbeiten verrichten. – Wobei letzteres derzeit nicht gefragt ist. Dieser Bereich ist aber ohnehin relativ heikel, zudem gibt es bereits Sozialorganisationen, die solche Angebote professionell anbieten.

In welchem Alter sind die Zeitvorsorgenden und Leistungsbeziehenden?

Bei den Zeitvorsorgenden sind die meisten zwischen 60 und 75 Jahre alt, die Leistungsbeziehenden sind 80 oder älter.

Bei der Medienpräsentation im Juni 2014 hiess es, dass in der Vorlauf- und Testphase kontrovers auf das St.Galler Modell reagiert worden sei: Manche kritisierten das Vergüten von sozialem Engagement, auch wenn der «Lohn» nicht finanzieller Natur ist. Gibt es diese Tendenzen nach wie vor?

Ja, und das finde ich gut so. So kann jede Person, die sich freiwillig engagieren möchte, selbst entscheiden, welche Form für sie passt.

Wie wird das Zeitguthaben erfasst?

Unser Erfassunsgssystem beruht auf Ehrlichkeit und Vertrauen: Die Zeitvorsorgenden schreiben auf, wie lange sie im Einsatz waren und lassen sich die Angaben per Unterschrift von den Leistungsbeziehenden bestätigen. Diese Zeit wird dann auf einem Konto gutgeschrieben und kann später bezogen werden.

 

 

Weitere Infos: zeitvorsorge.ch

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