Bewegt und farbig
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Transformation ist in aller Munde – Corona-geplagte Kulturunternehmen können sich mit Geld von Bund und Kantonen neu ausrichten und zukunftstauglich machen. Im Kanton St.Gallen steht die Höhe der Unterstützung allerdings in Frage: Nächste Woche diskutiert der Kantonsrat über eine Einschränkung der Beiträge, mehr dazu hier.
Einer, der das Transformieren seit jeher zum Programm gemacht hat, ist Ueli Vogt vom Zeughaus Teufen. Schon vor Jahren hat er die «Zwischenstellung» erfunden, ein Einschiebsel zwischen den Ausstellungen. Und mehr und mehr geht im Zeughaus eins ins andere über, spriesst aus einem Thema ein anderes und kommt zusammen, was man nicht unbedingt zusammendenken würde. Transformationshilfe braucht das Zeughaus dafür nicht.
Über das Thema hat Ueli Vogt zusammen mit dem Kurator des Appenzeller Kunstmuseums, Roland Scotti, gleich selber nachgedacht – hier das Video:
Seit längerem und weiterhin seit der Wiedereröffnung Anfang März verschlaufen sich im Zeughaus gleich ein halbes Dutzend künstlerische Arbeiten ineinander. Zentral und auffällig: die Farbbahnen und -fetzen, die sich um den Mittelgang des Zeughauses ranken und schlingen. Katrin Hotz, die Glarner Künstlerin hat die Installation namens Harlekin ausgeheckt, im Zeughaus wurden die langen Bahnen bemalt. Durch den Farbauftrag entstanden Falten, die Ränder sind teils angerissen, das Material scheint hautartig zu leben.
Auch aus einem der Fenster hängen Farbstreifen – der ursprüngliche Plan war es, sagt Kurator Ueli Vogt, das ganze Haus «mit Farben zu füllen, bis es zu den Fenstern hinausquillt». Eine weitere Farbbahn hat sich ins Zimmer mit den Bildern von Hans Zeller verirrt oder eben nicht verirrt. Und gibt sich dort als Wandbemalung aus.
«Zwischen Farben», Zeughaus Teufen, bis auf weiteres offen Mi – So
Rund um den Harlekin haben Malerinnen Platz gefunden. Gilgi Guggenheim zeigt ihre mit einem einzigen Pinselstrich gemalten, meditativen Aquarelle Once. Lucie Schenker ist mit Zeichnungen und einer Filzarbeit vertreten, in einer Ecke sind Holzschnitte von Gret Zellweger aufgereiht, und in die Zeller-Dauerausstellung schmuggeln sich Bilder der verstorbenen Johanna Nissen-Grosser.
Und dann, ein ganzes Jahr lang an der Stirnwand zu bewundern: Hella Sturzeneggers Textilkunstwerke. Mare nostrum (2016) ist eine düstere Apokalypse mit schwimmenden oder ertrinkenden Menschenfiguren – Assoziationen an die jahrtausendelange Kriegsgeschichte des Mittelmeerraums und die heutigen Flüchtlingskatastrophen sind von der Künstlerin ausdrücklich gewollt. Daneben entwerfen sieben kleinformatige Stickereien mit Pflanzen, Wasser, Vögeln und anderen naturnahen Impressionen eine hellere Welt Zwischen Himmel und Erde, wie der Titel heisst. In den dichten Textilstrukturen kann man sich verlieren.
Die spielerische Ausstellung macht die Augen und den ganzen Kopf hellwach. Wer trotzdem müde wird, setzt sich auf eine Bank – einige Exemplare stehen neu im Zeughaus, Nachbauten des Originals, das der verstorbene St.Galler Architekt Max Graf, unter anderem Erbauer des Schulhauses im Pestalozzidorf Trogen, entworfen hatte. Bei Ueli Vogt sind selbst Ruhebänke in ständiger Transformation.
Der hier ergänzte Beitrag erschien im Aprilheft von Saiten.