Bernt Haas: No Challenge

In diesen Tagen, in denen es im Umfeld des  FC St.Gallen nur noch um den Spieler mit der Nummer 17 geht, der mit 37 Jahren eine sehr erfolgreiche Karriere in der Super League beendet, ohne jemals ernsthaft verletzt gewesen zu sein, muss an einen erinnert werden, den das Glück komplett verlassen hat, dem es aber […]
Von  Andreas Kneubühler

In diesen Tagen, in denen es im Umfeld des  FC St.Gallen nur noch um den Spieler mit der Nummer 17 geht, der mit 37 Jahren eine sehr erfolgreiche Karriere in der Super League beendet, ohne jemals ernsthaft verletzt gewesen zu sein, muss an einen erinnert werden, den das Glück komplett verlassen hat, dem es aber vielleicht auch nicht gelungen ist, die Signale seines Körpers richtig zu deuten.

Als der FC St.Gallen vor drei Jahren Bernt Haas verpflichtete, war er auch als Nachfolger von Marc Zellweger gedacht. Haas sollte rechts verteidigen oder in der Innenverteidigung für Stabilität sorgen. Stattdessen wurde der frühere Nationalspieler zum Beispiel dafür, wie Karrieren im Sport verlaufen können, wenn man nicht vom Glück begünstigt ist. Er ist das Gegenbeispiel zu all dem Gerede der Sportler, die Rückschläge nur als nächste Herausforderung ansehen und die so sicher sind, dass man alles richtig macht, wenn man Niederlagen einfach abhakt. Schliesslich folgt spätestens in einer Woche das nächste Spiel.

Manchmal ist alles Wollen vergeblich, das Leiden wird nicht belohnt und die richtige Antwort heisst nicht Challenge sondern Kapitulation.

Am Tag, als unterstehendes Porträt erschien, wurde Bernt Haas im U21-Team des FC St.Gallen in der 90. Minute eingewechselt. Ein Woche später stand er im Aufgebot, verletzte sich am Knöchel und fiel erneut aus. Drei Wochen später gab der FC St.Gallen bekannt, dass der Vertrag nicht verlängert wird.

Der Vielgeprüfte

akn. Im Mai 2008 hatte der FC St.Gallen im Tessiner Dauerregen das erste Barragsspiel gegen die AC Bellinzona verloren. In der engen Kabine des Stadio Comunale drängten sich Klubfunktionäre, Sicherheitspersonal, verschwitzte Spieler, Journalisten. Mitten im Getümmel stand Bernt Haas. Es war einer der Momente, in denen fast alles so war, wie es sein sollte. Aber eben nur fast: Haas stand nicht im grün-weissen Shirt da, sondern im Anzug mit FCSG-Logo – gespielt hatte er nicht. In der Saison, in der sein Klub abstieg, konnte er bloss einen einzigen Match absolvieren. Im Juli 2007 gegen die Grasshoppers. 41 Minuten lang. In der folgenden Challenge Leage-Saison  spielte Haas nie. In der aktuellen Spielzeit gab es nur eine Veränderung: Sein Name wurde nicht mehr unter der Rubrik «verletzt», sondern als «nicht im Kader» gemeldet. «Immerhin ein Fortschritt», scherzt Haas.

Mit 15 Jahren Fussballprofi, mit 17 das Debüt in der Champions League, mit 18 Nationalspieler. GC, Sunderland, Basel, West Bromwich Albion, Bastia, Köln und zuletzt St.Gallen. Die Klubleitung versprach sich viel von Bernt Haas: Erfahrung, internationale Zweikampfhärte, dynamische Rushes entlang der Seitenlinie. Doch dann folgten Bandscheibenschaden, Knorpelschaden am Knie, Achillessehnenriss. Endlose einsame 32 Monate, die Haas bei Ärzten, beim Physiotherapeuten und allein im Fitnessstudio verbrachte. Immer wieder gab es Rückschläge. Er hätte diese schwarze Serie als unmissverständliche Warnsignale seines Körpers interpretieren können: 14 Profijahre als Puncher sind genug. Haas zog eine andere Interpretation vor. Diejenige einer Prüfung, die er bestehen muss. Er spricht vom Stolz, der ein solches Karriereende nicht zulässt, vom Wunsch, es allen zeigen zu können, die ihn bereits abgeschrieben haben. Er erzählt aber auch vom «Kribbeln», das er verspürt, wenn eine Mannschaft in ein volles Stadion einläuft. Das will er nochmals erleben. Dafür hat er alles auf sich genommen. Eine Gewissheit, dass er es schafft, gibt es aber nicht.

Bernt Hass wird 2010 32 Jahre alt. Momentan trainiert er mit der ersten Mannschaft. Geplant sind Einsätze mit der U-21. Dort muss er zeigen, dass er seine Ziele erreichen kann. Im Sommer läuft der dreijährige Vertrag aus. Haas sagt: «Der Klub ist noch nicht auf mich zugekommen». Dies sei aber in seiner Situation auch verständlich. Trainer Uli Forte meint dazu, Haas habe im Moment sicher nicht die besten Karten. Er sagt aber auch: «Der Körper ist das einzige Fragezeichen». Alles andere sei noch da, das sehe man sofort. Vorläufig ist alles möglich. Auch dass Bernt Haas bald wieder in ein volles Stadion einlaufen kann.