, 17. Januar 2024
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Bausteine für das St.Gallen der Zukunft

Die Stadt St.Gallen hat ihr neues Raumkonzept vorgestellt. Dieses zeigt: St.Gallen kann ohne grossflächige Umzonungen von Landwirtschaftsland auf 100’000 Einwohner:innen wachsen. Und ein «Parkway» soll Erholungsgebiete und Grünräume in der Talsohle vernetzen. von Reto Voneschen

Baudirektor Markus Buschor stellt im Rathaus das St.Galler Stadtraumkonzept vor. (Bild: Reto Voneschen)

Das «Stadtraumkonzept St.Gallen – Zielsetzung, Stadtbausteine, Plan» wurde in Zusammenhang mit der geplanten Totalrevision von Bauordnung und Zonenplan (BZO) erarbeitet. Es ist eine Vision, wie die Stadt St.Gallen dereinst aussehen soll. In dem Sinn ist das Raumkonzept ein Zwischenschritt zwischen Theorie und Praxis, also von den seit 2018 erarbeiteten diversen Grundlagenstudien zur Stadtentwicklung hin zur Reform der konkreten Vorschriften für Grundeigentümer:innen und Bauwirtschaft. Stadtrat Markus Buschor und Stadtplaner Florian Kessler haben das neue Konzept am Mittwoch den Medien präsentiert.

Mit dem Vorliegen des Raumkonzeptes geht es jetzt an die Überarbeitung von Bauordnung, Zonenplan und weiterer vom kantonalen Planungs- und Baugesetz (PBG) verlangten Erlasse. In einem nächsten Schritt muss das Stadtparlament die Gelder dafür sprechen: Die Vorlage ist in Arbeit und soll den Parlamentsmitgliedern bis Frühling zugehen. Die öffentliche Auflage der revidierten Bauvorschriften ist gemäss Stadtplaner Florian Kessler für Ende 2027 vorgesehen. Womit das Projekt knapp drei Jahre Verspätung auf den ursprünglichen Fahrplan mit öffentlicher Auflage Anfang 2025 hätte. Dies auch, weil es komplexer und zeitintensiver ist, als ursprünglich gedacht.

Wie hoch der Kreditbedarf für die Vorbereitung der Totalrevision ist, steht nicht abschliessend fest. Es wird aber gemäss Stadtplaner Kessler sicher ein Betrag von über einer Million Franken nötig sein. Dies, weil sehr umfangreiche Arbeiten zu erledigen sind. Der Kanton verlangt von seinen Gemeinden bei der Anpassung von Bauordnung und Zonenplan ans neue übergeordnete Recht die Regelung eines umfangreichen Pakets an Themen. Das stellt die grösseren Politischen Gemeinden wie St.Gallen, Gossau oder Rapperswil-Jona vor eine anspruchsvolle Aufgabe.

Keine grossflächigen Einzonungen nötig

In den vergangenen Jahren hat die städtische Direktion Planung und Bau die Medien in Zusammenhang mit der Totalrevision der BZO regelmässig zu Orientierungen eingeladen. Im Gegensatz zu den dabei vorgestellten sehr theoretischen Strategien für Liegenschaften, Wohnraum, Freiraum und Innenentwicklung enthält das Stadtraumkonzept konkrete Aussagen, wie sich St.Gallen in den kommenden Jahrzehnten wo entwickeln soll.

Grundsätzlich ist es gemäss dem neuen Konzept möglich, das stadträtliche Wachstumsziel von 100’000 Einwohner:innen ohne Einzonungen zu erreichen. Anders als bei der letzten Totalrevision von Bauordnung und Zonenplan in den 1990er-Jahren sind diesmal keine grossflächigen Umteilungen von Landwirtschaftsland im Grünen Ring in die Bauzone vorgesehen. Zur Diskussion stehen werden einzelne kleinere Einzonungen, etwa am Geissberg. Zu erwarten sind dagegen Um- und Aufzonungen im bestehenden Zonenplan, damit die bauliche Verdichtung weiter vorangetrieben werden kann.

Innenverdichtung als Herausforderung und Chance

Die innere Verdichtung einer Stadt ist eine Herausforderung. Das Stadtraumkonzept hält daher fest, dass diese Strategie mit der Sicherung und einer qualitativ guten Gestaltung von Freiräumen einhergehen muss. Richtig betrieben führt Innenverdichtung gemäss Konzept auch nicht automatisch zu Konflikten mit dem Ortsbildschutz. Ebenfalls möglich, wenn auch anspruchsvoll ist die bauliche Verdichtung, ohne dass die speziellen Qualitäten und Charakteristika der Stadt und ihrer Quartiere unter die Räder kommen.

Helfen dabei sollen 14 Stadtbausteine, die fürs Konzept entwickelt wurden. Sie zeigen exemplarisch, wie man wo bauen könnte, um das Gesicht eines Gebietes nicht zu zerstören. Die Vorschläge sollen die Qualitäten eines Gebietes verstärken, aber auch dabei helfen, städtebauliche Ziele zu erreichen. Darunter sind etwa modellhafte Vorschläge, wie man Baulücken in verschiedenen Umgebungen schliessen oder auch ganze Quartierteile verdichten und damit intensiver nutzen könnte. Ein Plan zeigt, wo welche Bausteine idealerweise zum Einsatz kommen sollten.

Hoch hinaus ja, aber bitte nicht zu hoch

Ein heikles Thema war in der Vergangenheit in St.Gallen der Umgang mit Hochhäusern. Das Stadtraumkonzept macht auch dazu Vorgaben: Hochhäuser mit einer Höhe von 30 bis 45 Metern sind an vielen Standorten in der Talsohle denkbar. Ob eines tatsächlich möglich ist, soll von Fall zu Fall anhand eines Kriterienkatalogs geklärt werden. 45 bis 85 Meter hohe Hochhäuser sind dagegen nur in vier Entwicklungsgebieten erwünscht: im Gebiet Bahnhof Nord/Güterbahnhof, um den Bahnhof St.Fiden, im Gebiet Lerchenfeld/Bahnhof Haggen und rund um den Bahnhof Winkeln.

Das Hochhauskonzept: 45 bis 85 Meter hohe Hochhäuser soll es in St.Gallen nur in Entwicklungsgebieten beim Haupt- und Güterbahnhof, beim Bahnhof St.Fiden, zwischen Lerchenfeld und Bahnhof Haggen sowie beim Bahnhof Winkeln geben. (Illustration: Stadt St.Gallen)

Das Hochhauskonzept: 45 bis 85 Meter hohe Hochhäuser soll es in St.Gallen nur in Entwicklungsgebieten beim Haupt- und Güterbahnhof, beim Bahnhof St.Fiden, zwischen Lerchenfeld und Bahnhof Haggen sowie beim Bahnhof Winkeln geben. (Illustration: Stadt St.Gallen)

Hochhäuser mit mehr als 85 Metern Höhe passen nach Meinung der Fachleute aufgrund der Topografie nicht in die Stadt St.Gallen. Verbieten will man sie zwar nicht, doch strebe man sie auch nicht an, wie Stadtrat Buschor und Stadtplaner Kessler am Mittwoch auf Medienfragen ausführten. Für ein Hochhausprojekt ist so oder so ein Sondernutzungsplan nötig. Politische Bewilligungsinstanz für diese Pläne ist das Stadtparlament. Im unwahrscheinlichen Fall, dass es doch zu einem Projekt für ein über 85 Meter hohes Haus kommen sollte, läge der Entscheid darüber bei ihm.

Strassenbäume: Künftig mehr als nur eine hübsche Dekoration

Generell fordert das Stadtraumkonzept mehr Grünsubstanz in der Stadt. Viel mehr Bäume entlang von Strassenachsen und in den Quartieren sollen sie in Hitzeperioden lebenswert erhalten. Der entsprechende Plan mit dichten Baumreihen entlang der Hauptachsen löste an der Orientierung vom Mittwoch kritische Medienfragen aus. Auslöser war unter anderem das Beispiel der wegen der Werkleitungen fast ohne neue Bäume sanierten Zürcher Strasse im Lachen-Quartier. Diese Planung sei älter, die Umsetzung durch Rechtsverfahren verzögert worden, hielt Stadtrat Buschor fest.

Früher seien Bäume bei Strassenbauvorhaben oft als Dekoration angesehen und in der Planung entsprechend behandelt worden. Neu sollten sie einen grösseren Stellenwert erhalten und in der Planung entsprechend berücksichtigt werden. Das heisse auch, dass Werkleitungen, die tatsächlich an vielen Orten Baumpflanzungen erschwerten, künftig nicht mehr absolute Priorität vor Bäumen hätten. Unter Umständen müsse man für Leitungen andere Lösungen finden, um Baumpflanzungen zu ermöglichen, sagte Stadtrat Markus Buschor.

Stadt erhält ein grünes Rückgrat

Ein anderes Projekt, das im Stadtraumkonzept neu auftaucht, ist der «Parkway». Ein öffentlicher Weg, der Grünräume und gleichzeitig Quartiere in der Längsachse des St.Galler Hochtals miteinander vernetzen soll. Der «Parkway» soll vom Sittertobel in Bruggen bis zum Galgentobel im Heiligkreuz führen. Die Verbindung soll als begrünte Achse für Fuss- und Veloverkehr ausgestaltet werden. Teile davon existieren bereits (beispielsweise dem Burgweier entlang), andere Teilstücke müssen aufgewertet oder neu erstellt werden.

Mehr Bäume und Vernetzung von Grünräumen: Der Grünplan aus dem Stadtraumkonzept für den Osten von St.Gallen. In der Mitte zwischen Strassen, die mit Baumpflanzungen zu Boulevards oder Alleen umgestaltet werden könnten, führt der Parkweg vom Galgentobel zur Altstadt. (Illustration: Stadt St.Gallen)

Mehr Bäume und Vernetzung von Grünräumen: Der Grünplan aus dem Stadtraumkonzept für den Osten von St.Gallen. In der Mitte zwischen Strassen, die mit Baumpflanzungen zu Boulevards oder Alleen umgestaltet werden könnten, führt der Parkweg vom Galgentobel zur Altstadt. (Illustration: Stadt St.Gallen)

Der «Parkway» soll zudem mit sogenannten Querrippen mit Grünräumen am nördlichen und südlichen Stadtrand vernetzt werden. Diese Vernetzung soll über bestehende und neu geplante oberirdische Wasserläufe, Wege und Treppen erfolgen. Diese grüne Vernetzung soll insgesamt die Lebensqualität in der Stadt trotz Klimawandel sichern, sie soll aber ausdrücklich auch die Naturvielfalt erhöhen helfen.

 

Die Berichte und Pläne zum St.Galler Stadtraumkonzept sind als Download im Internet unter stadtsg.ch/stadtraumkonzept öffentlich verfügbar.

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