Bauen im Dorf – und ausserhalb
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Architektur ist mehr als Häuser bauen – im guten Fall denkt sie die städtebaulichen und sozialen Umstände mit. Und dies in der Stadt wie auf dem Land.
Die schlaue Zeitschrift «Hochparterre» hat einen neuen Wettbewerb lanciert: «Stadtlandschau» will ausdrücklich nicht Einzelbauten auszeichnen, sondern umsichtige Raumplaner, findige Stadtentwicklerinnen oder behutsame Ortsbildpfleger würdigen. Die Ausschreibung ging an Gemeinden und Städte, 92 Projekte wurden eingereicht, drei ausgezeichnet: das Baumemorandum von Disentis, das Lagerplatzareal Winterthur und die Gestaltung des öffentlichen Raums in der Stadt Zürich. Die Ostschweiz geht aber auch nicht ganz leer aus: Eine Anerkennung geht nach Rapperswil-Jona für den beispielhaften Einbezug der Bevölkerung in den komplexen Fusionsprozess der beiden Gemeinden. Und eine zweite Anerkennung erhält das Projekt «Bauen im Dorf», mit dem die Ausserrhodische Kulturstiftung 2010 innovative Vorschläge für die zum Teil nicht mehr zeitgemässen Bauten im Dorfkern suchte und fand. 2015 soll es die nächste «Stadtlandschau“ geben – die Resultate der jetzigen sind im soeben erschienenen Sonderheft der Zeitschrift nachzulesen und zu -schauen.
Im Hauptheft dann noch einmal Ostschweiz und noch einmal Landschau: Architekt Hubert Bischoff hat auf einer verwunschenen Wiese in Wolfhalden an der Stelle eines alleinstehenden früheren «Häämetli» ein neues Holz-Wohnhaus gebaut. Trotz engem Vorschriftenkorsett entstand ein konsequenter Bau, aussen traditionsnah, innen frappant modern. Im Heft würdigt die Architektin Rahel Lämmler (die auch das oben genannte Projekt «Bauen im Dorf» geleitet hatte) den Bau ausführlich. Hochparterre-Chefredaktor Köbi Gantenbein wirft im Kommentar allerdings kritische Fragen zur Umnutzung alter Liegenschaften auf. Bisher gilt in der Ostschweiz die Klausel «1972»: Abgebrochen und neu aufgebaut dürfen ausserhalb der Bauzone nur Häuser werden, die schon vor 1972 nicht mehr für Landwirtschaftszwecke genutzt wurden. Diese Einschränkung fällt dank einer Standesinitiative des Kantons St.Gallen wohl noch dieses Jahr weg – Gantenbein hat Bedenken, dass dies den Druck auf alte «Häämetli» erhöhen und die «Schönheit und Güte der Ostschweizer Streusiedlung» gefährden könnte. Damit «weicht ein weiteres Stück neoliberaler Politik die Trennung von Bau- und Nichtbauzone auf». Die Folge könnten ortsuntypische Villen auf Landwirtschaftsparzellen sein, wenn nicht die Bauordnungen verschärft würden, meint Gantenbein.
Ein kontroverses Thema – das Bischoff-Juwel hoch über dem Bodensee zeugt jedenfalls davon, dass auch mit engen Vorschriften überzeugend gebaut werden kann.