, 24. Mai 2016
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Bauen für Menschen und Autos

Aus der Zeit, als das Rathaus noch braun, die Taxis rot und die Busse grün waren, gibt es weit mehr gute Bauten als das Theater oder die Universität. Das zeigt die Ausstellung der städtischen Denkmalpflege im Rathaus zur Architektur der Nachkriegszeit.

Erhalten und rücksichtsvoll sanieren: Das ist heute das Credo der Denkmalpflege, die es als städtische Institution in St.Gallen erst seit Mitte der 1970er-Jahre gibt. Zuvor, in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg, als wieder Geld und Baumaterialien erhältlich waren, galt der Schutzgedanke höchstens für Kirchen und Schlösser. Wohn- und Geschäftshäuser sollten neu werden – oft schlug der Abbruchhammer zu.

Architektur der Nachkriegszeit in der Stadt St.Gallen, Rathaus, 1. Stock, offen während der Schalterzeiten, bis 24. Juni 2016.

Führungen durch die Ausstellung: 26.Mai 17 h und 24.Juni 12.30 h.

Führungen durch die Stadt (Treffpunkt Rathaus): 31.Mai 12.30 h und 9.Juni 17 h.

Die Ausstellung im Rathaus über die Architektur der Nachkriegszeit zeigt einige Vorher-Nachher-Situationen. Sie machen klar, dass damals kaum etwas erhaltenswert galt. Weder das «Löchlibad», an dessen Stelle das Uniongebäude entstand, noch die markanten Zeilen an der Leonhard- und Vadianstrasse, die dem Neumarkt weichen mussten.

Zu Unrecht geringgeschätzt

Was von 1950 bis Mitte der 1970er-Jahre gebaut wurde, hat meist einen schlechten Ruf: energetisch ungenügend, zu kleinteilig in den Grundrissen, nicht erdbebensicher. Doch genauer hinschauen lohnt sich: Da «fliegen» zum Beispiel die Dächer des Uniongebäudes, der Rondelle auf dem Marktplatz oder des Hotels Metropol am Bahnhof und vermitteln ungewohnte Eleganz. Da gibt es die Anspielungen an Erker an den Bauten des Architekten Heinrich Graf, zum Beispiel in der Neugasse. In der Innenstadt ging es bei den Neubauten damals um mehr Ordnung, um klarere Strukturen. Es war der Versuch, das gewachsene Chaos zu ordnen, stellte Denkmalpflegerin Katrin Eberhard an der Vernissage fest.

In der Nachkriegszeit dominierten klare Kubaturen. Etwa im Zentrum von Bruggen. Es entstanden aber auch so verrückte Konstruktionen wie das Dach der Kirche Winkeln, im Volksmund «Seelenabschussrampe» genannt. Geometrisch ist es ein hyperbolisches Paraboloid, eine Betondecke, die wie ein Tuch durchhängt, konstruiert in nur gerade sieben Zentimeter dickem Beton.

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Lichthunger und Bauboom

Aus der Nachkriegszeit stammen auch Wohnanlagen wie jene im Biserhof, die bis heute vorbildlich sind und deren jüngste Etappe sich an das Vorbild von einst hält. Im Wohnungsbau kam man damals weg von der Blockrandbebauung. Es entstanden Zeilenbauten, umgeben von Grünraum, Wohnungen, die sich nach Süden und Westen zum Licht ausrichteten. Die Türme an der Linsenbühlstrasse und jene in den Achslen sind Beispiele eines Baubooms, der in der Ölkrise der 1970er-Jahre abrupt gestoppt wurde.

Die Nachkriegszeit war auch die Autozeit. Die Ausstellung zeigt die Garagen, die rund um die Altstadt entstanden sind. Gute Beispiele stehen noch: das im Umbau stehende UG24, die Garage an der Torstrasse, in der «Klang und Kleid» eingemietet sind, oder die Citygarage im Lerchenfeld. Die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung werden auch von einem Autobild empfangen: Unter dem noch braunen Rathausturm stehen rote Taxis, daneben ein grüner Trolleybus. Und wie bescheiden und elegant man damals Buswartehäuschen bauen durfte, zeigt die Ausstellung ebenfalls.

Man trifft aber auch auf die Ikonen: auf das Stadttheater und die Universität. Dazu Turnhallen, das Hallenbad Blumenwies, den Neumarkt, das Grossackerzentrum (Silberturm) und Spitalbauten, die man heute – nach zahlreichen Um- und Anbauten – in ihrer architektonischen Kraft kaum mehr wahrnehmen kann.

Appell an die Eigentümer

Wer tiefer in diese Baugeschichte eintaucht, stellt fest, dass die in der Neubauwelle der Nachkriegszeit entstandenen Gebäude mehr sind, als rasch hochgezogenen Zweckbauten. Nicht ohne Grund gilt bei der Denkmalpflege die Devise, dass sich erst nach rund dreissig Jahren zeigt, ob ein Bauwerk wirklich gut ist und Bestand hat. Bei den gezeigten Bauten ist dies keine Frage. Doch weil viele (noch) nicht geschützt sind, will die Ausstellung auch die jeweiligen Eigentümer sensibilisieren: Sorgfältig erneuern, energetisch und sicherheitstechnisch «ertüchtigen», das ist dank moderner Baumaterialien fast in jedem Fall möglich, ohne dass ein Bau sein Gesicht verliert.

 

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