Banken und Touristen
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Barcelona, wo eine Mehrheit der Bevölkerung auf Wohneigentum, nicht auf Miete setzt, ist eine Hochburg der Immobilienspekulation. Dramatisch wurde diese mit der Wirtschaftskrise ab 2007, als die Immobilienblase platzte und die Banken begannen, die Leute, die ihre Hypothek nicht mehr bezahlen konnten, mit Zwangsräumungen aus ihren Wohnungen zu vertreiben. Dieselben Banken, die zwischen 2009 und 2015 mit 122 Milliarden Euro, davon 61 Milliarden aus Steuergeldern, der Rest aus dem europäischen Rettungsfonds, vor dem Untergang bewahrt wurden. In der Schweiz kommt uns das doch irgendwie bekannt vor…
Die geräumten Liegenschaften wurden dann zum Beispiel gewinnbringend an obskure Hedgefonds verhökert, die sie in grosser Zahl zu Ferienapartments und Luxushotels für die Barcelona flutenden Touristen umzuwandeln. Kein Wunder also, dass man vielerorts auf Wänden «El turisme mata els barris» (Der Tourismus tötet die Quartiere) lesen kann.
Die PAH unterstützt nun die Leute beim Widerstand gegen die Zwangsräumungen, versucht mit Bankbesetzungen die Politik der Finanzinstitute zu beeinflussen und okkupiert auch leerstehende Liegenschaften, die von den Banken zwangsgeräumt wurden, sich aber nicht verkaufen liessen. In solchen Liegenschaften stellt die PAH Notwohnungen zur Verfügung, wo zwangsgeräumte Menschen unterkommen. Da leben dann plötzlich auch Rentnerinnen und Rentner, die in hohem Mass von der Hypothekenmisere betroffen sind, in einem Umfeld, das sie sich vor zehn Jahren kaum vorstellen konnten.
Mitgegründet wurde die PAH 2009 übrigens von Ada Colau, der amtierenden Bürgermeisterin von Barcelona. Seit ihrem Amts antritt 2015 hat sich am augenfälligsten der Umgang der Polizei mit der PAH verändert. Die Aktivistinnen und Aktivisten werden bei Aktionen nicht mehr weggeprügelt, es werden Mediatoren geschickt, und eine Bankbesetzung kann so gut und gerne einen ganzen Tag dauern.
Gelöst ist das Problem der Spekulation und der parallel dazu fehlenden Sozialwohnungen, von denen es nur gerade 1.8 Prozent gibt in Barcelona, natürlich nicht.
Aus Sicht der Stadt St.Gallen, wo sich scheinbar noch in fast allen Preisklassen wohnen lässt, können wir von Barcelona einiges lernen. Wir sollten nicht den gleichen Fehler machen, wie die meisten mittleren bis grossen Städte in Europa und städtischen Boden leichtfertig an Investoren verhökern. Die interessiert die Durchschnittsbevölkerung in der Regel überhaupt nicht. Ziel muss es sein, dass sich die Stadt selber im kommunalen Wohnungsbau engagiert oder aktiv genossenschaftliche Modelle fördert.
Und ja, liebe Liberale und andere Finanzoptimierer, das alles hat auch etwas mit der Entwicklung der Sozialkosten zu tun.
Einen guten Film zum Zusammenhang von Immobilienspekulation und Tourismus hat «Arte» gezeigt, das Schweizer Fernsehen zeigt ihn am 18. Juni – Tourist Go Home! Europas Sehnsuchtsorte in Gefahr:
Dani Fels, 1961, ist Dozent an der FHS St.Gallen und Fotograf. Er schreibt monatlich die Stadtkolumne in Saiten.