Ausziehen für Mike

Was passiert, wenn die Jungpopulisten zur Rettung von Sitte und Anstand aufrufen? «Jung & Sexy» zieht sich aus, mitten auf St. Bärenplatz natürlich, wo auch sonst. Danke, Mr. Kantonsrat!
Von  Corinne Riedener

Eigentlich müsstest Du das viel öfter machen, lieber Mike, spontan mit irgendeiner Initiative drohen, wie am Dienstag an der Juni-Session. Grosses Kino im Kantonsrat, mol du, und unter uns: völlig wurst, ob die Grossen mitspielen, Hauptsache gross rauskommen. Hauptsache du, der Präsi der Kleinen, beschützt endlich unsere Kleinsten vor Kopftüchern und «unziemlicher Kleidung». Letztere mögen wir übrigens auch nicht – haben ihr kürzlich sogar ein Heft gewidmet, da, schau!

Wir hätten auch noch ein, zwei Exemplare auf Lager – nur so, falls Du nochli Verstärkung brauchst im Kampf für Anstand und Moral, dort vorne an der Front, in den kantonalen Kinderreserven. Aber genug der Tipps in Sachen Nachwuchs und Kleidung, schliesslich bist Du ja Experte und auch entsprechend gestylt. Verdient hättest Du ihn jedenfalls, den Titel «Mr. Kantonsrat», so geschmackvoll wie Du stets daherkommst.

Drum verehren Dich ja mittlerweile selbst die Jungen vom gegenüberliegenden Ufer. Völlig fasziniert beobachten sie, wie Du es schaffst, aus dem kleinen Polit- einen grossen Modezirkus zu machen, und wie es sich für eine echte Ikone gehört, lassen sie sich natürlich inspirieren von Dir – wie heute zum Beispiel, beim Bärenplatz, als sie Dir zu Ehren ihre Körper feierten. Saggstarch, dass Du schon über 20 Egger-Addicts hast, die Dir mit Fashion-Tipps unter die Arme greifen, Dir frische Inputs liefern und sich spontan mitengagieren im Kampf gegen unziemliche Kleidung.

Ach Mike, würdest Du doch nur öfters für Schlagzeilen sorgen, vielleicht würde sich die «Jung & Sexy»-Fraktion dann regelmässig für Dich ausziehen, dann hätten wir alle etwas davon. Du müsstest auch kaum etwas tun dafür, nur keine Sorge. Wir liefern gerne einen Initiativ-Vorschlag, falls es Dir an Ideen mangelt: «Strafbar macht sich, wer jemand anderem Vorschriften macht bezüglich seiner oder ihrer Kleidung.» Was mainsch, Mike?

 

Einen «Angriff auf die Selbstbestimmung», nannte Juso-Co-Präsidentin Andrea Scheck die geplante Initiative von SVP-Kantonsrat und JSVP-Prasident Mike Egger, die «das Tragen von Kopftüchern» und «unziemlicher Kleidung» an den Schulen im Kanton St.Gallen verbieten will. Passend zum Schnee von gestern, lud die Juso denn auch kurzentschlossen zum sommerlich-freizügigen Flashmob gegen Eggers Kleidervorschriften – in  «unziemlicher» Kleidung, «möglichst freizügig», «halbnackt», mit Kopftuch oder auch Krawatte. Gut 20 Personen sind dem Aufruf gefolgt und haben sich am Freitag um 18 Uhr beim Bärenplatz in St.Gallen besammelt. Anschliessend sind die Freizügigen gutgelaunt und unter den Augen einiger Polizisten Richtung Bahnhof gezogen. 

Bilder: Dani Fels