Aurora-Stiftung: Morgenröte für Pensionskassengelder

Der ehemalige Ausserrhoder Finanzchef Köbi Frei, der St.Galler Liegenschaften- und Arealentwickler Johannes Senn, der Abtwiler Rechtsanwalt Jürg Jakob, der Mineralölhändler Martin Osterwalder sowie Markus Schmidiger, der an der Hochschule Luzern Real Estate Asset Management unterrichtet – die Zusammensetzung des Aurora-Stiftungsrats ist eine illustre Männerrunde. Mit dabei sind auch René Menet, der Geschäftsführer der Pensionskasse Stadt St.Gallen, und Gerardo Longo, Leiter Kapitalanlagen.
Die Zusammensetzung mit solchen Exponenten ist offensichtlich bewusst gewählt. Man habe noch ein paar grössere Projekte in der Pipeline, sagt René Menet.
Aktuell laufen bereits zwei grosse Aurora-Projekte in der Stadt St.Gallen: die Sanierung der Villa Wiesental samt Hotelneubau im ehemaligen Garten und der Ausbau des Parkhauses UG 25. Dort entstehen in sechs Untergeschossen 531 zusätzliche Parkplätze.
Diese Untergeschosse gehören dann ebenfalls der Stiftung, und sie mietet das erste Obergeschoss von den privaten Eigentümern des grossen Gebäudes dazu. Bisher besitzt die Aurora-Stiftung allerdings nur ein klitzekleines Stück Land an der Ostseite des Gebäudes am Oberen Graben – bloss 15 Quadratmeter.
Anteile an Immobilien-Anlagestiftungen sind gesucht
Dass die Pensionskasse mit der Gründung der Aurora-Stiftung einen geschickten Schachzug macht, bestätigen Fachleute. Im Gegensatz zu den Anlagen an der Börse gibt es bei solchen Anlagestiftungen keine oder kaum Wertschwankungen, denn die Stiftungen widerspiegeln den Wert der Liegenschaften, die sie besitzen. Sie haben einen «inneren» Wert.
Solche Anlagemöglichkeiten werden heute von allen Pensionskassen (PKs) gesucht, denn die meisten bestehenden Stiftungen sind «geschlossen». Obwohl immer wieder ähnliche Anlagemöglichkeiten geschaffen werden, an denen nur PKs Anteile erwerben können, gibt es sehr selten solche, die wie die Aurora-Stiftung bereits über ein Liegenschaftenportfolio verfügen.
Zwar bringen die Anlagen an den Börsen dieses Jahr bisher auch wieder gute Gewinne, doch die PKs sind verpflichtet, die ihnen anvertrauten Altersspargelder der Versicherten sicher und in verschiedenen Bereichen anzulegen. Liegenschaften sind ein wichtiger Teil.
Der Mechanismus ist einfach: Die aktuellen Mieter:innen leisten mit ihren Mieten einen Beitrag an die Verzinsung der Altersguthaben der PK-Mitglieder oder zahlen einen Teil der Renten.
Diesen Mechanismus macht sich die Pensionskasse Stadt St.Gallen mit der Aurora-Stiftung nun zu Nutze. Das Nettovermögen der Stiftung (der Wert der Gebäude abzüglich aller Hypotheken) wird dabei in Anteile zu 1‘000 Franken aufgeteilt – im konkreten Fall sind das 263‘424 Anteile. Dies entspricht dem Nettowert der Liegenschaften von etwas mehr als 263 Millionen Franken.
Diese Anteile sind zum einen handelbar, und wenn der Wert der Liegenschaften steigt oder neue Häuser dazukommen, können mehr Anteile ausgegeben werden. Wenn die PK weitere Projekte in der Pipeline hat, kann sie diese auch mit Anlagegeldern anderer Kassen finanzieren. Und falls sie selber mehr liquide Mittel braucht, weil sie zum Beispiel mehr Renten auszahlen muss, kann sie eigene Anteile verkaufen. Alle diese Transaktionen dürfen allerdings nur unter PKs erfolgen.
Die kantonale PK bleibt bei ihrem Weg
Kein Interesse an der Aurora-Anlagestiftung zeigt die – allerdings deutlich grössere – kantonale Pensionskasse (sgpk). Sie werde ihr Liegenschaftenportfolio wie bisher in der direkten, eigenen Vermögensverwaltung belassen, heisst es.
Die kantonale Kasse besitzt mit 74 Liegenschaften und 2500 Wohnungen, rund dreimal mehr Objekte als die städtische PK. Man habe Mitte 2020 die Immobilienstrategie überprüft und entschieden, das Management «auch in Zukunft und entlang der gesamten Wertschöpfungskette intern abzuwickeln.» Dies sorge für eine hohe Dienstleistungsqualität und sichere ein attraktives Preis-/Leistungsverhältnis bei den Investitionen. Und diese Politik ermögliche eine «ökologische und konsequent energieeffiziente Bauweise».
Noch ist die Aurora-Stiftung nicht operativ tätig. Zuerst werden laut René Menet aufbauend auf der bisherigen Immobilienverwaltung die organisatorischen Strukturen getroffen. Doch ab dem Spätherbst werden dann Stiftungsrat und Anlegerversammlung das Sagen haben.
Theaterleute und Informatiker:innen mit dabei
Die Pensionskasse der Stadt St.Gallen funktioniert heute bereits als sogenannte Sammelstiftung. Denn nicht nur die städtischen Angestellten sind hier versichert, sondern auch das Personal der Genossenschaft Konzert und Theater und die Mitarbeitenden der Abraxas Informatik. Die Gelder werden aber gemeinsam angelegt.
Formal werden der Aurora-Stiftungsrat und die dort versammelten Immobilien- und Finanzfachleute der Anlegerversammlung Anträge über die weitere Entwicklung des Immobilienportfolios beantragen. Die Anleger – im Moment noch allein die Pensionskasse Stadt St.Gallen, aber bald wohl auch weitere – müssen dann entscheiden, was gekauft oder gebaut wird. Die Stiftung ermögliche so dank Wachstum eine effizientere, noch professionellere Verwaltung und Planung, ist René Menet überzeugt.
Sparpolitiker als Stiftungsratspräsident
Erster Aurora-Stiftungsratspräsident ist der frühere Ausserrhoder Finanzdirektor Köbi Frei. René Menet lobt ihn als ausgewiesenen Finanzfachmann. Dank seinen Tätigkeiten in unterschiedlichen Verwaltungsräten und dem langjährigen Präsidium bei der PK Appenzell Ausserrhoden bringe er wertvolles Wissen mit.
Der als Sparpolitiker bekannte SVP-ex-Regierungsrat wird in der Aurora-Stiftung allerdings andere Ziele verfolgen müssen als in seinem früheren Regierungsamt. Als Ausserrhoder Finanzchef hatte er einen konsequenten Sparkurs verfolgt und dafür gesorgt, dass es gleichzeitig der Wirtschaft gut geht.
Heute hat Ausserrhoden sehr bescheidene Krankenkassen-Prämienverbilligungen und gleichzeitig Unternehmenssteuern, die zu den tiefsten im Land gehören. Köbi Frei sei als Regierungsrat zwar kein SVP-Hardliner gewesen, aber seine Politik sei einem «permanenten Finanzalarm» gleichgekommen, sagen seine politischen Gegner:innen.
Bei einer PK-Anlagestiftung geht es aber nicht um Sparpolitik. Das Geld, das die Aurora-Stiftung anlegt, gehört den Versicherten der Pensionskasse. Sie muss es sicher anlegen, damit das angesparte Vermögen Bestand hat und daraus eine gesicherte Rente bezahlt werden kann.
Auf der anderen Seite finanzieren die Mieter:innen der Aurora-Liegenschaften einen Teil dieser Renten und die Verzinsung. Es geht deshalb hier oft um Fragen der sozialen Sicherheit: um Renten und darum, dass Mieten bezahlbar bleiben.