AC/DC und Taylor Swift 2024, Ed Sheeran, Imagine Dragons und Linkin Park 2025: Wenn grosse Bands und Künstler:innen Konzerte in der Schweiz spielen, strömen die Massen in die Stadien. Die Tickets für die genannten Konzerte waren jeweils nach wenigen Minuten ausverkauft. Und das bei Preisen, die sich viele gar nicht leisten können (oder wollen). Für die beiden Konzerte von Taylor Swift im Letzigrund (Kapazität: fast 50’000) kosteten die billigsten Stehplätze knapp 170 Franken, für einen Sitzplatz musste man rund 300 Franken bezahlen. Ihre «Eras-Tour» mit 149 Konzerten zwischen März 2023 und Dezember 2024 war mit einem Gesamtumsatz von über 3 Milliarden US-Dollar die erfolgreichste Tournee aller Zeiten.
Während die Superstars und Konzerne wie Live Nation oder CTS Eventim, die sich auch in der Schweiz breitmachen, den Rachen nicht vollkriegen können, nimmt die Hungersnot am anderen Ende der Nahrungskette zu. Viele kleine und mittelgrosse Clubs und Konzertlokale kämpfen ums Überleben. Erst recht, da sie sich seit der Coronapandemie mit neuen Herausforderungen konfrontiert sehen: schleppende Vorverkäufe, schlechtgefüllte Lokale, sinkende Einnahmen, steigende Kosten. Da viele Konzerte nicht ausverkauft sind, entscheiden die Leute viel kurzfristiger, ob sie ein Konzert besuchen oder nicht. Das erschwert die Planbarkeit für Veranstalter:innen beziehungsweise erhöht das finanzielle Risiko.
Das veränderte Ausgehverhalten betrifft jedoch nicht nur Konzertlokale, sondern auch andere Kulturinstitutionen. So sagte Matthias Peter, Leiter der Kellerbühne St.Gallen, erst kürzlich im Saiten-Interview: «Die Leute kommen spontaner, sie reservieren nicht so weit im Voraus. Früher waren einige Vorstellungen ausverkauft, kaum hatte der Vorverkauf begonnen. Das passiert jetzt auch bei bekannteren Namen oft nicht mehr.»
Ein Wandel mit vielen Ursachen
Einigen Konzertlokalen droht sogar das Aus. Ein Beispiel dafür ist das Tap Tab in Schaffhausen. Es befinde sich «in einer kleinen, aber feinen finanziellen Krise», schrieb das Kulturzentrum im August auf seinen Kanälen. Um den Betrieb bis zum Jahresende sicherstellen zu können, lancierte es ein Crowdfunding für einen «Übergangsbatzen». Mit Erfolg: Aus den ursprünglich angestrebten 10’000 Franken wurden schliesslich über 50’000. Das ist mehr als der bisherige jährliche Unterstützungsbeitrag durch Kanton und Stadt von 45’000 Franken (ab 2025 gilt eine neue Leistungsvereinbarung).
Auch das Kraftfeld in Winterthur sammelte bis Ende November wegen seiner «schwierigen finanziellen Lage» mit einem Crowdfunding Geld für seine Rettung, eben- falls erfolgreich: Um den Betrieb längerfristig sicherzustellen, fehlten rund 150’000 Franken, am Ende kamen über 180’000 Franken zusammen. «In der Kulturlandschaft insgesamt und in der Clubszene im Besonderen ist das Kraftfeld nicht der einzige Betrieb in Schwierigkeiten. Die Gründe sind bei vielen dieselben: Verändertes Ausgehverhalten, Teuerungen auf verschiedenen Ebenen und gestiegene Fixkosten», heisst es auf der Crowdfunding-Seite. Ähnliche Gründe nannte auch das Tap Tab für seine finanziellen Probleme: Einer sei der Wandel der Musikindustrie. Die Gagen seien gestiegen und die Technik sei komplexer geworden. Auch der Aufwand und die Kosten seien gestiegen. Ein weiterer Grund sei, dass der Konsum in den vergangenen Jahren stetig gesunken sei, was sich im Barumsatz bemerkbar mache. Dieser trage jedoch wesentlich zur Finanzierung des Vereins und des gesamten Programms bei.
Diese Auflistung könnte auch von jedem anderen Konzertlokal kommen, denn praktisch alle kämpfen mit denselben Problemen. Die Folge: Veranstalter:innen – insbesondere solche ohne öffentliche Unterstützungsgelder – sind zurückhaltender beim Buchen von Bands, es gibt vermehrt auch Absagen von geplanten Konzerten, wenn der Vorverkauf zu schlecht läuft. Das heisst im Umkehrschluss: Für Musiker:innen und Bands wird es immer schwerer, an Auftrittsmöglichkeiten zu kommen. Und selbst wenn ein Gig bestätigt ist, haben sie nicht Gewissheit, auch wirklich auftreten zu können.
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Es gibt regionale Bands, denen kurz vor oder nach einem ausverkauften «Heimspiel» in St.Gallen Konzerte in Zürich wegen zu wenig verkaufter Tickets abgesagt wurden. Sogar die deutsche Indie-Institution Tocotronic musste im Herbst 2022 einen Teil ihrer Tour verschieben: «Wir wollen ganz ehrlich sein: Im Augenblick sind die Vorverkäufe zu schwach, als dass sich eine Durchführung der Tour für die Clubs, die örtlichen Veranstalter:innen, uns und unsere Crew gerechnet hätte. Die Zeiten sind wohl nicht danach, viele Künstler:innen machen gerade ähnlich schmerzhafte Erfahrungen», teilte sie damals mit.
«Gerade für jüngere Musiker:innen und Bands ist es komplexer geworden»
Florian Weiss kennt all diese Probleme, und zwar aus verschiedenen Perspektiven. Der St.Galler ist seit rund 20 Jahren im Livemusikgeschäft. Er arbeitete für die Konzertveranstalter Sofa Agency und Good News. Heute ist er bei der Zürcher Agentur Just Because, die auch selber Konzerte veranstaltet, und Booker unter anderem der Ostschweizer Bands Catalyst, Velvet Two Stripes und The Gardener & The Tree. Er macht die Aufbauarbeit, gleist deren Konzerte oder Tourneen auf, verhandelt die Gagen. «Gerade für jüngere beziehungsweise neuere Musiker:innen und Bands, die ausserhalb ihrer Heimatregion Konzerte spielen wollen, ist es einiges komplexer geworden», sagt Weiss.
Vielen Locations sei das Stammpublikum nach Corona weggebrochen. Deshalb müssten sie anders wirtschaften und getrauten sich nicht mehr, Newcomer zu buchen, wenn sie davon ausgehen müssten, bestenfalls 40 bis 50 Eintritte zu verkaufen. Das gehe sogar so weit, dass einige Konzertlokale nicht mehr «der Schnauze nach» buchen, sondern auf Indikatoren wie Streamingzahlen oder Follower in den sozialen Medien schauen würden. Viele würden ausserdem versuchen, Konzerte mit Partys querzusubventionieren. «Die Livemusik allein ist nicht tragfähig. Das ist ein brutales Urteil.» Man müsse jedoch unterscheiden zwischen unabhängigen Veranstalter:innen oder Konzertlokalen und solchen, die von der öffentlichen Hand Fördergelder bekämen, betont Weiss. Letztere könnten ein höheres Risiko eingehen.
«Die Livemusik allein ist nicht tragfähig. Das ist ein brutales Urteil.»
Hinzu komme, dass es inzwischen fast ein Überangebot an Musik beziehungsweise Musiker:innen gebe. Dank der Digitalisierung und des technischen Fortschritts sei es heute einfach, im Heimstudio Musik aufzunehmen und über Streamingportale zu verbreiten. Es sei aber nicht einfacher geworden, in dieser Menge Gehör zu finden und auch noch an Konzerte zu kommen, gerade wenn man kein Netzwerk habe – im Gegenteil. «Man muss herausstechen aus der Masse.» Deshalb sei der Nachwuchsband-Wettbewerb bandXost so wertvoll. Zum einen trenne er die Spreu vom Weizen. Zum anderen biete er dem Gewinner-Act die Möglichkeit, sich an diversen Festivals zu präsentieren. «Wenn man ein gutes Liveprodukt hat, hat man die Chance, entdeckt zu werden, auch ausserhalb der Ostschweiz.»
Aber auch für eine Band wie Catalyst seien die Hürden inzwischen höher, sagt Weiss. Seit 2018 arbeitet er mit dem St.Galler Alternative-Rock-Duo zusammen, das 2016 den bandXost-Wettbewerb gewann und sich inzwischen in der Szene etabliert hat. Dennoch sei es schwieriger geworden, sie zu buchen, weil insbesondere die kleineren Shows durchs Raster fallen würden.
Ein weiterer Punkt ist die Gage: Je grösser eine Band sei, desto schwieriger werde es, Konzerte zu bekommen, sagt Florian Weiss. Bei der neunköpfigen Balkanpop-Truppe Šuma Čovjek, die an Konzerten zwei bis drei Crewmitglieder habe, sei es illusorisch, dass alle eine Gage von 300 Franken bekämen. Man findet sich mit dem Konzertveranstalter «irgendwo in der Mitte». «Wenn ich diesen Kompromiss nicht eingehe und den Auftritt absage, schadet das der Band.» Die Gage müsse aber nicht nur den Auftritt entlöhnen, sondern auch helfen, alle anderen Kosten zu decken – Albumproduktion, Videodrehs, Busmiete, Benzin etc. Es sei deshalb elementar, dass die Bands an den Konzerten Merchandising dabei hätten, um zusätzlich Geld verdienen zu können. Ein wichtiges Puzzleteil in dieser Rechnung ist der Eintrittspreis. Für die meisten Schweizer Bands würden ausserhalb von Zürich zwischen 20 und 30 Franken verlangt, sagt Weiss. Bei Šuma Čovjek bestehe er aber auf einem Ticketpreis von über 30 Franken, weil das Zielpublikum eher älter sei. «Es ist nicht richtig, Livemusik für zu tiefe Preise zu verramschen.»
Konzertabsage als allerletztes Mittel
Eine Show wegen schlechtem Ticketvorverkauf abzusagen sei «das allerletzte Mittel», sagt Florian Weiss. «Wir ziehen viele Konzerte durch, auch wenn wir wissen, dass ein Verlust resultieren wird.» Er sieht das als Investition in die Zukunft, damit die Künstler: innen beim nächsten Mal mehr Publikum anziehen oder in grösseren Hallen spielen können. «Wenn man jedes Konzert nur wegen eines drohenden Verlusts abwürgt, kann sich nie etwas entwickeln.» Und bis zu einem gewissen Grad könne man defizitäre Konzerte mit gewinnbringenden quersubventionieren.
Dennoch sei eine Absage ein Mittel, das manchmal unausweichlich sei. «Wenn ich weiss, dass ich bei einem Konzert mehrere tausend Franken verliere, dann muss ich mir die Frage stellen, ob ich die Reissleine ziehe, um den Verlust zu minimieren», sagt Weiss. «Auch als angestellter Booker trage ich die Verantwortung für die Firma und das Projekt. Wir haben keinen Kulturauftrag, sondern müssen als Agentur wirtschaftlich funktionieren.»
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Fabian Mösch von der Schweizer Agentur Glad We Met, die viele unbekannte Künstler:innen betreut, sieht die Entwicklung in der Livemusikbranche ebenfalls kritisch. Der 30-Jährige ist unter anderem Booker von Stahlberger, Lord Kesseli & The Drums und Pyrit. Parallel dazu war er bis im Sommer 2022 während vier Jahren Co-Betriebsleiter des St.Galler Kulturlokals Palace und somit für das Programm mitverantwortlich. Ausserdem ist er Programmverantwortlicher des Badener Musikfestivals One Of A Million.
Mösch beobachtet einen ähnlichen Trend wie Florian Weiss: «Für viele Konzertlokale, die gewisse Bands selbst dann bewusst unterstützt haben, wenn sie wussten, dass die Konzerte defizitär sein würden, liegt das nicht mehr drin.» Auch bei einer Band wie Lord Kesseli & The Drums, die Anfang 2024 ein neues Album veröffentlicht hat, komme teilweise weniger Publikum an die Konzerte als noch vor der Pandemie. Und gerade für «nischige» Künstler:innen gebe es inzwischen weniger Konzertmöglichkeiten.
Ein weiteres Problem seien grosse Agenturen, die den Veranstalter:innen mit der Absage drohen, wenn aus ihrer Sicht zu wenige Tickets verkauft seien, sagt Mösch. «Sie wollen nicht, dass ihre Band vor wenig Publikum spielt.» Das sei gerade in Zeiten, in denen sich anhand der Vorverkäufe die Zahl der Besucher:innen kaum vorhersagen lasse, ein Ärgernis. «Im Palace hatten wir immer wieder damit zu kämpfen. Aber wir hatten auch viele Konzerte mit 10, 20 Leuten, die super waren.»
Viele Veranstalter können sich einen Verlust nicht leisten
Auch Marc Frischknecht kennt die aktuellen Schwierigkeiten zur Genüge. Mit seinem Projekt Yes I’m Very Tired Now ist er selber Musiker (einen Text zu seinem neuen Album, das Anfang 2025 erscheint, gibts dann in der Februar-Ausgabe), Booker des Kulturfestivals St.Gallen und Mitinhaber der Øya-Bar, in der er ab und zu Konzerte veranstaltet. «Auch wenn ich gerne die Musiker:innen aus der Region mit Auftrittsmöglichkeiten fördern würde: Ich kann es mir schlicht nicht leisten, pro Jahr zwei, drei Konzerte durchzuführen, bei denen ich einen Verlust tragen muss.» Auch weil jene Konzerte, die so gut besucht sind, dass sie diesen Verlust wettmachen würden, kaum mehr möglich seien. Es sei so schon eine Herausforderung, eine Bar profitabel zu betreiben.
«Ich kann es mir schlicht nicht leisten, pro Jahr zwei, drei Konzerte durchzuführen, bei denen ich einen Verlust tragen muss.»
Auch für Yes I’m Very Tired Now sei es schwieriger geworden, Auftrittsmöglichkeiten zu bekommen, sagt Frischknecht. Für 2025 sind bisher zwei Konzerte geplant, eines in Zürich und die Plattentaufe in der Grabenhalle. Ob weitere hinzukommen? Ungewiss. «Hat es mit meinem Alter zu tun? Wollen die 20- bis 30-Jährigen einen eher unbekannten Künstler sehen, der 40 ist, oder lieber gleichaltrige?»
Mit seiner Band hat Frischknecht auch schon Konzertabsagen erlebt, allerdings nur im Ausland. Dennoch zeigt er Verständnis für diesen Schritt, auch wenn es für die betroffene Band hart sei – «allerdings nur, wenn der Veranstalter selber alles unternommen hat, um Tickets zu verkaufen. Es darf nicht sein, dass nur die Band in der Pflicht ist.» Es sei jedenfalls «ein schmaler Grat» und dürfe «der letzte Ausweg» sein, aber nur, wenn es im Voraus so vereinbart wurde.
Die grossen Konzerte und Festivals graben den kleinen die Besucher:innen ab
Das grundsätzliche Problem sei, dass es zu viele grosse Konzerte und Festivals gebe, die den kleineren Veranstaltungen die Besucher:innen abgraben würden, sagt Frischknecht. Zudem seien die Leute heute weniger bereit, unbekanntere Künstler:innen an Konzerten zu entdecken – das tun sie stattdessen auf Streamingportalen. «Früher war das anders. Man konnte nicht jedes Wochenende in einen Plattenladen gehen, um sich x Bands anzuhören, sondern ging an Konzerte.»
Das sieht auch Florian Weiss so: Die Entdeckungslust sei heute geringer. Sei das Publikum früher oft an Konzerte von Bands gegangen, die es kaum oder gar nicht kannte, könne man sich heute über Streamingportale ein Bild der Band machen. Auch er habe das Gefühl, dass gerade die jüngeren Generationen heiss auf Grossanlässe seien, das mache es gerade für unbekanntere Bands schwieriger. «Die Leute sind bereit, zwei- bis dreimal im Jahr viel Geld in die Hand zu nehmen für die Superstars, aber nicht mehrmals 30 bis 40 Franken für eine Newcomerband.» Darunter leiden nicht nur die Musiker:innen, sondern eben auch die kleineren Venues – ein Teufelskreis.
Konzerte als einzige Einnahmequelle
Doch wie erleben Musiker:innen, die sich selber um das Booking kümmern, diese Entwicklung? Vanessa Engensperger alias Skiba Shapiro hat vor etwas mehr als einem Jahr ihr Solo-Debüt Zueflucht veröffentlicht. Seither habe sie ein paar Konzertanfragen bekommen, die meisten in der Region, damit sei sie zufrieden, sagt sie. Das Echo auf die geschätzt 50 Konzertanfragen, die sie in diesem Jahr selbst verschickt hatte, sei hingegen sehr bescheiden gewesen. Auf die meisten habe sie nicht einmal eine Antwort bekommen.
Vor zehn Jahren, als sie noch Teil des Rock-Duos Hopes & Venom war, mit dem sie 2014 den zweiten Platz am bandXost belegt hatte, sei das anders gewesen: «Auf eine Konzertanfrage folgte die nächste, das hat sich praktisch von allein ergeben.» Ob die Abnahme allein an der veränderten Ausgangslage liegt, kann sie nicht sagen. «Ist es, weil meine Mails schlecht sind? Weil ich zehn Jahre älter bin? Weil ich jetzt in Mundart singe? Oder weil ich als weisse Künstlerin nahöstliche Klänge in meine Musik einbaue? Keine Ahnung!»
Mit Death Of A Cheerleader, einer Rockband, in der sie Gitarre spielt, sei es ebenfalls schwierig, Konzerte zu bekommen. Von der Gage bleibt für die fünf Bandmitglieder nichts übrig. «Jeder Franken fliesst direkt wieder in die Bandkasse.» Von der Gage für Konzerte von Skiba Shapiro – je nachdem ein paar hundert Franken – ziehe sie eine «Administrationsentschädigung» von zehn Prozent für sich ab, den Rest teilt sie zu gleichen Teilen mit ihrem Bassisten und der Tänzerin. Mit ihrem eigenen Anteil deckt sie die Kosten für die Produktion von Zueflucht.
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Auch das St.Galler Synth-Pop-Duo Paraphon bucht seine Konzerte selber. «Auf unsere Anfragen bekommen wir meistens keine Rückmeldung, beim Rest sind es in der Regel Absagen», sagt Yves Eggenberger. Ihre Auftritte würden sich meistens dadurch ergeben, dass sie jemand irgendwo live sehe und dann buche. Mit der Zahl der Konzerte, die sie zuletzt spielen konnten, seien sie zufrieden. «Aber mehr Clubshows wären schön. Die meisten unserer Auftritte sind im Rahmen eines Events oder an Festivals, wo wir eine von vielen Bands sind. Aber wir sind ja auch noch nicht so bekannt.» Für das Duo, das seit der Gründung 2021 drei EPs und ein Album digital veröffentlicht hat, seien Konzerte allerdings praktisch die einzige Einnahmequelle. «Die Streamingerlöse sind minim. Die Konzertgagen helfen uns, unsere Kosten zu decken und uns weiter zu professionalisieren, etwa Songs extern mischen zu lassen», sagt Eggenberger.
Nicht für ein Sandwich und Bier auftreten
Marc Frischknecht rät allen Musiker:innen und Bands, für die die Musik mehr ist als ein Hobby, sich eine Bookingagentur zu suchen. «Für mich als Booker des Kulturfestivals macht es einen grossen Unterschied, ob ich ein Mail von einem Agenten bekomme, von dem ich schon ein paar Bands gebucht habe, oder von einem Musiker, von dem ich noch nie etwas gehört habe.» Auch über die Gage werde dann anders verhandelt.
Florian Weiss sieht das ähnlich. Er habe Verständnis dafür, dass junge Bands so viele Shows spielen möchten wie nur möglich. Sie täten sich jedoch keinen Gefallen damit, wenn sie für ein Sandwich und Bier auftreten. «Es braucht eine angemessene Gage. Wenn du als Band dem keinen Wert beimisst, dass du Musik schreibst, aufnimmst, dein Liveset vorbereitest, an den Gig fährst und wieder zurück, dann wird das auf lange Sicht zu einem Problem.» Wie hoch eine angemessene Gage ist, darüber gehen die Meinungen bei den Bookern auseinander.
Viele Bands und Musiker:innen bleiben auf der Strecke
Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich die Situation entwickeln wird. Branchenexperten gehen davon aus, dass die grossen Konzerte noch teurer werden. Und wenn die Konzerne wie CTS Eventim, zu dem auch ABC Gadget mit dem Openair St.Gallen und dem Summerdays Festival sowie Ticketcorner gehört, die Livemusikszene mit Künstler:innen und Bands fluten, die sie selbst unter Vertrag haben, können sie ihre Konzerte querfinanzieren und so die Superstars von morgen einfacher aufbauen. Die kleinen Konzertlokale und Veranstalter:innen hingegen haben ein verhältnismässig weitaus grösseres finanzielles Risiko zu tragen und kämpfen weiterhin um das Publikum und somit ums Überleben. Und viele kleine Musiker:innen und Bands bleiben dabei auf der Strecke.
Glad We Met machte Ende November in einer Medienmitteilung, die einem Hilferuf gleichkam, auf die Problematik aufmerksam. «Der finanzielle Druck auf kleine Labels, Booking-Agenturen, Musikclubs und -festivals und mit ihnen erst recht eine Vielzahl an Musiker:innen ist mittlerweile derart gross, dass ihnen nach und nach die Luft ausgeht», heisst es darin. Fabian Mösch ist überzeugt, dass es neue Fördermodelle und zusätzliche Finanzmittel der öffentlichen Hand braucht, wenn man diese Kultur am Leben erhalten will.
Eine Linderung der Problematik könnte aus England kommen. Dort hat der Music Venue Trust, der die «Grassroots Music Venues» vertritt, erreicht, dass künftig ein Prozent der Ticketverkäufe für Stadion- und Arena-Konzerte an die Graswurzel-Konzertlokale fliesst. Das ist immerhin ein Anfang. Ob das auch in einem vergleichsweise kleinen Markt wie der Schweiz durchsetzbar wäre, ist eine andere Frage.
Die Illustrationen zu diesem Beitrag sind von Sofia Hintermann aus Zürich. Hintermann, 2000, ist freischaffende Illustratorin und Malerin. Ihr letztes Buchprojekt heisst HAMMER MILCH HAGEL MOHN – an die Hexenverfolgung denken. In der Malerei bewegt sie sich gerne an der Grenze von Realität und Fiktion.
Die Illustrationen zu diesem Beitrag sind von Sofia Hintermann aus Zürich. Hintermann, 2000, ist freischaffende Illustratorin und Malerin. Ihr letztes Buchprojekt heisst HAMMER MILCH HAGEL MOHN – an die Hexenverfolgung denken. In der Malerei bewegt sie sich gerne an der Grenze von Realität und Fiktion. Ihre Ausstellung «Fruchtzucker» mit Anna Albisetti ist bis März im «Lokal-int» in Biel zu sehen.