Auf dem Weg zum Lattich-Bau
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2016 und 2017 hat der Lattich bereits gewuchert; wenn heute Freitag ab 17 Uhr die Rolltore hochgehen, ist in der Halle und drumherum erneut Diverses zu erleben. Musiker Roman Rutishauser, der bereits seit letztem Jahr in seinem umgebauten «Container für Unerhörtes» arbeitet, leitet den ersten Auftritt von «Ein blauer, italienischer Sommerrock» mit, laut Ankündigung, «einem Mix aus Bluesrock und italienischen Canzoni». Der Spielweg wird eröffnet, im Flon-Container kann gemalt werden, Hannes Rutishauser öffnet seinen Werkstatt-Container, das Design-Kollektiv Altherr/Weiss bietet eine Licht-Aktion, und die Gastro rührt in den Töpfen.
Die neue Leiterin des Hallenprogramms, Nathalie Bösch, hatte bereits im April in Saiten «eine grosse Bandbreite von Veranstaltungen» versprochen und einige Neuerungen im Programm bekanntgegeben, darunter die Lattich-Sonntage mit Brunch (erstmals am 13. Mai) oder einen Flohmarkt (an Pfingsten).
Lattich-Saisonstart:
4. Mai ab 17 Uhr
Alle Infos hier.
Gabriela Falkner, Frau der ersten Stunde im Lattich-Projekt, ist wenige Stunden vor der Eröffnung begeistert über das engagierte und häufig ehrenamtliche «Wuchern» aller Beteiligten – beim Projekt Neue Gärten Ostschweiz des Heks, in den Containern des Flon und der Schule für Gestaltung, bei den musikalischen und handwerklichen Containerbetreibern und der Gastro unter der neue Leitung von Vanessa Borer. Auch Verknüpfungen mit dem Quartier gebe es mehr und mehr, zum Beispiel mit einem Gartenprojekt «über die Gleise». Die Halle ist nach einem Aufruf mit Stühlen und Bühnenelementen beschenkt worden, die Anfragen für Führungen oder Hallennutzung häuften sich und kämen mehr und mehr auch von ausserhalb der Stadt, sagt Gabriela Falkner.
Und die Container sind neuerdings «verdichtet» plaziert, auch ein Doppelstöcker ist darunter – eine Vorahnung des Lattich-Baus, der jetzt visiert wird.
Das Baugesuch ist eingereicht
Denn neben den Veranstaltungen rund um die Halle kommt dieses Jahr der Lattich-Bau in die entscheidende Phase.
«Das Güterbahnhofareal ist eines der letzten grösseren Entwicklungsgebiete in der Stadt St.Gallen. Es liegt in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof und Stadtzentrum – und es ist heute stark unternutzt.» So steht es einleitend in der Machbarkeitsstudie, welche das Lattich-Konsortium Ende 2016 vorgelegt hat. Zwei Jahre später, Ende 2018 soll es mit der «Unternutzung» vorbei sein – dann könnten auf dem Areal die mobilen Holz-Module des Lattichbaus stehen. Und St.Gallen erhält, was Zürich (mit dem Basislager) oder Basel (mit der Rakete) schon haben: einen temporären Arbeitsort für die Kreativwirtschaft.
Vor rund drei Wochen haben die Initianten das Baugesuch eingereicht. Die Bewilligung könnte, «wenn alles nach Plan läuft», vor den Sommerferien da sein und im August mit dem Bau begonnen werden. Die Module werden bei Blumer Lehmann AG in Gossau vorgefertigt und könnten im Herbst innert zwei Wochen hochgezogen werden. Blumer Lehmann tritt nicht nur als Holzbauer, sondern auch als Hauptinvestor auf, der Bau wird vollständig privat finanziert, der Kanton lässt sich das auf zehn Jahre befristete Baurecht bezahlen.
«Brennpunkt der Kreativwirtschaft»
Dass das Areal wegen des geplanten, umstrittenen Autobahnanschlusses für die nächsten rund 15 Jahre brach liegt, sei «eine einmalige Chance für Zwischennutzungen», heisst es in der Studie. Um es zu beleben, sei ein «flexibles und experimentelles Denken» nötig. In ihrer Mitteilung zum Baugesuch bekräftigt die Regio Appenzell AR – St.Gallen – Bodensee als Mitträgerin des Projekts das Ziel, «einen sichtbaren Brennpunkt für die Kreativwirtschaft in der Ostschweiz» zu schaffen.
45 Module sind geplant, ausgestattet mit Heizung, Strom und Wasser. Als mögliche Mieter nennt die Regio «Kleinunternehmen aus den Bereichen Handwerk, Design, Kommunikation oder Architektur». Die einfache und damit zahlbare Bauweise komme der «preissensiblen» Zielgruppe entgegen, heisst es in der Studie – während der Baustandard für dauerhafte Gebäude in der Schweiz sonst nicht nur architektonisch, sondern auch vom Ausbau und der Infrastruktur her an Perfektion grenze, mit den entsprechenden Preisen.
Im künftigen Lattichbau beträgt die Miete pro Modul rund 500 Franken – eine Umfrage für die Machbarkeitsstudie hatte ergeben, dass die Mehrzahl der Befragten bereit wären, einen solchen Betrag zu zahlen. Man strebe «am Markt orientierte» Mieten an; für Künstlerateliers wäre der Ansatz wohl zu hoch; «Lattich ist kein Kulturförderprogramm», heisst es ausdrücklich.