Artenschutz für Parkplätze

Vielleicht kommt irgendwann einer und erklärt die St.Galler Parkplatzdiskussionen zu einem Langzeit-Kunstprojekt.
In der Kategorie absurdes Theater.
Zumindest eine gewisse Kreativität kann man den Protagonisten jedenfalls nicht absprechen. Erfinden sie doch immer neue Kategorie von Parkplätzen: Es gibt oberirdische, unterirdische, öffentliche, private und seit kurzem – speziell für das UG25 erfunden – solche, die «fest von Geschäften für ihre Kundinnen und Kunden gemietet werden».
Was immer die Unterschiede sind.
Entscheidende Gemeinsamkeit ist natürlich, dass darauf Autos abgestellt werden.
Wollte man den Verkehr in der Innenstadt reduzieren, müsste man die Zahl der Parkplätze reduzieren. Stattdessen kommen im Zentrum von St.Gallen ein paar Hundert dazu.
Müsste man zwischen Links-Grünen und Gewerblern einen gemeinsamen Nenner finden, wäre es dieser: Die am wenigsten erwünschten Parkplätze sind diejenigen, die an Autopendler aus den Agglomerationen fest vermietet werden. Ihre Besitzer sind für Staus zu Stosszeiten verantwortlich und bringen dem Gewerbe kaum Umsätze. Ausgerechnet über diese Abstellflächen kann in St.Gallen aber nicht diskutiert werden, weil sie «privat» sind.
Aber lassen wir einmal die Nebengeschichten weg:
- Beispielsweise, dass der Stadtrat die oberirdischen Parkplätze nur aufheben will, um die Tiefgarage Schibenertor (am Union) zu rechtfertigen.
- Und dass alles längst beschlossen ist.
Widmen wir uns der Frage, wieso eigentlich oberirdische Parkplätze in Tiefgaragen verschoben werden müssen.
Weil man sie sieht?
Der aktuelle Stand der Forschung sieht so aus: Die Räume in den Innenstädten sollen soweit als möglich für Fussgänger und Velofahrer reserviert werden. Aber nicht überall, wo die Autos verschwinden, entwickelt sich Stadtleben. Gibt es gemischte Nutzungen, muss klar sein, dass Fussgänger und Langsamverkehr Priorität haben. Und: Parkplätze kann man auch zum Vorteil von Velofahrern nutzen.
Doch der Reihe nach:
Würde man unter Automobilisten eine Umfrage machen, würde die Mehrheit erklären, dass sie oberirdische Parkplätze solchen in Tiefgaragen vorzieht.
Nur schon das würde eine differenziere Strategie verdienen.
Klar ist, dass die Abstellflächen auf dem Marktplatz verschwinden müssen. Dort ist es zwar schattig und der Platz ist wenig attraktiv: Aber man kann den Raum schlicht besser nutzen als für parkierte Autos.
Aber was ist mit der Poststrasse?
Sie verbindet den Bahnhof mit Marktplatz und Altstadt. Wer dort unterwegs ist, ist meist in Eile. Es hat kaum Geschäfte und keine Restaurants mit Aussenbestuhlung.
Niemand flaniert auf der Poststrasse.
Bezeichnenderweise sind auf dieser funktionalen Verbindungsstrasse die Parkplätze bereits aufgehoben worden – auf dem Marktplatz aber nicht.
Dabei würden sich auf der Poststrasse wegen der Nähe zum Bahnhof Kurzhalter-Parkplätze anbieten. Stattdessen wurde der Raum mit den in St. Gallen üblichen Bänken im Röhren-Design möbiliert. Deren offensichtlichste Eigenschaft ist, dass man sie in wenigen Sekunden mit dem Kärcher reinigen kann.
Was ist gegen die paar Parkplätze gegenüber dem Seeger einzuwenden? Der Verkehr führt dort sowieso vorbei. Was gegen die Abstellflächen in den engen Strassen zwischen Seeger und Dufour? Dort gibt es keine Begegnungszone.
Und nun noch eine Bemerkung zum kreativen Umgang mit Parkplätzen. Das Beispiel stammt aus Kopenhagen, dem Mekka des Langsamverkehrs.
Das exemplarische Strassenbild sieht im Querschnitt von links nach rechts so aus: Breites Trottoir – Veloweg – in Fahrrichtung hintereinander parkierte Autos – Strasse.
Der Effekt: Die parkierten Autos schützen die Velofahrer wie ein Wall vor dem gefährlichen Strassenverkehr. Wie die Fussgänger bewegen sich die Velofahrer in nächster Nähe zu Restaurants und Läden. Gefahrlos können sie jederzeit dorthin einbiegen.
Bild: 14. Mai 2015, 4.57 Uhr, 9000 St.Gallen, co