Angriff auf die Denkmalpflege

So viel geballte Opposition gegen einen Gesetzesnachtrag sieht man selten: Der Heimatschutz, der Ingenieur- und Architektenverein (SIA), der Bund Schweizer Architekten (BSA), der Werkbund, der WWF und Pro Natura argumentierten am Dienstag vor den Medien reihum gegen den Nachtrag zum St.Galler Planungs- und Baugesetz.
Darum geht es: Bisher müssen Eingriffe an Schutzobjekten zuerst der kantonalen Denkmalpflege vorgelegt werden. In Zukunft soll die denkmalpflegerisch-fachliche Beurteilung durch den Kanton erst im Nachhinein über Beschwerden und Rekurse erfolgen können. Dies wird die Verfahren mit zusätzlichen Expertisen verlängern und verteuern und birgt die Gefahr, dass ein Objekt bereits beschädigt oder gar beseitigt ist, bevor ein rechtsgültiger Entscheid vorliegt.
«Verletzung von Konvention und Verfassung»
Der Schweizer Heimatschutz-Präsident Martin Killias wies darauf hin, dass eine Regelung, die den Gemeinden die Schutzentscheide überlassen will, vor Bundesgericht wohl nicht haltbar sein werde. Vor allem weil damit die internationale und von der Schweiz unterschriebene Granada-Konvention verletzt werde – eine Konvention, die minimale Standards für den Denkmalschutz vorschreibt.
Es gehe nämlich nicht, dass Gemeinden über vom Bund oder vom Kanton geschützte Objekte entscheiden, die «oberen» Staatsebenen dann aber zahlen müssen. Und weil auch das Eidgenössische Natur- und Heimatschutzgesetz und die St.Galler Kantonsverfassung die Schutzaufgaben dem Kanton überbinden, sei die neue Regelung wohl unhaltbar.

Abgebrochen: Bad Kobelwies in Oberriet, der damals letzte Zeuge der Rheintaler Bäderkultur, erbaut wohl im 17. Jahrhundert, war im Verzeichnis der schützenswerten Bauten ISOS mit Erhaltungsziel A verzeichnet.
Heimatschutzpräsidentin Kathrin Hilber hofft deshalb, dass die vorberatende Kommission sich all diese Argumente anhört. Denn es lohne sich ja nicht, den ganzen Gesetzgebungsprozess durchzuspielen, um dann vor Bundesgericht zu scheitern.
«Bedrohte Tiere zum Abschuss freigeben»
Daniel Cavelti, Architekt und Regionalpräsident des SIA erklärte, dass gerade Architekt:innen darauf angewiesen seien, dass sie fachkompetente Partner:innen haben, mit denen Arbeiten an geschützten Objekten besprochen werden können. In den Gemeinden gebe es aber nicht sehr viele Mitarbeitende mit entsprechenden Kompetenzen.
BSA-Regionalpräsident Johannes Brunner wies darauf hin, dass eine solche Kompetenzverschiebung vom Kanton zu den Gemeinden allen zeitgemässen Diskussionen über Baukultur und den sorgfältigen Umgang mit der Bausubstanz widerspreche. Angesichts der aktuellen Umweltprobleme müsse man überall viel sorgfältiger mit dem Bestand umgehen, gerade auch mit Bauzeugen.

Vorher – nachher: In Bütschwil wurde das Haus Wenk am Kirchplatz aus dem Ortsbildschutz entlassen. Es war Teil des Ortskerns, den das ISOS mit Erhaltungsziel A bezeichnete. Unten der Neubau.
Joshua Loher vom Werkbund stellte fest, dass man nur schützen könne, was man kennt. Deshalb sei es dringend, dass die Gemeinden ihre Schutzinventare aktualisierten, denn diese seien teils nur bis 1920 nachgeführt. Schliesslich gehe es nur um zwei Prozent der Gebäude, die überhaupt denkmalgeschützt sind. Und er griff zum drastischen Bild: Es komme ihm so vor, als ob man bedrohte Tiere zum Abschuss freigebe.
«Freipass für die Abrissbirne»
Corina Del Fabbro von Pro Natura St.Gallen stellte fest, dass das Problem beim Naturschutz das Gleiche sei. Dort sind die Entscheidkompetenzen bereits bei den Gemeinden, mit der Folge, dass viele ihren Schutzaufgaben nicht nachkommen.
Es gebe eigentliche Rechtsverweigerungen, doppelte Lukas Indermaur vom WWF nach: Fälle, in denen Gemeinden ihre Entscheide nicht einmal durchsetzten, weil sie sich nicht wagten, Bauherren gegenüber hart aufzutreten. Eine analoge Kompetenzverschiebung bei den Baudenkmälern wäre «ein Freipass für die Abrissbirne», so der WWF-Vertreter.

Vorher – nachher: In Flawil wurde das 1922 erbaute Chalet Bergheim an der Rosenhügelstrasse (das für den kantonalen Schutz empfohlen war) umgebaut und hat alle seine Ornamente und die Merksprüche an der Fassade verloren.
An der Medieninformation wurde eine Reihe von verunstalteten, bedrohten oder gar schon abgebrochenen Baudenkmälern präsentiert, weil die Gemeinden – gegen den Willen der kantonalen Denkmalpflege – fragwürdige Entscheide getroffen haben.