Allgemeine Massenverblödung allenthalben

Was ein kleiner Krawall unter Begleitung des gesamten Polizei-Rösslispiels an einem sommerlauen Abend alles auslösen kann und noch auslösen wird. So richtig einordnen lässt sich die unbewilligte Jugend-Party am St. Galler Marktplatz noch nicht. Am besten ist es wohl, man setzt mal den Bearbeitungstitel: Allgemeine Massenverblödung. Damit kommt man vorerst sicher allen Beteiligten am nächsten. […]
Von  Harry Rosenbaum

Was ein kleiner Krawall unter Begleitung des gesamten Polizei-Rösslispiels an einem sommerlauen Abend alles auslösen kann und noch auslösen wird. So richtig einordnen lässt sich die unbewilligte Jugend-Party am St. Galler Marktplatz noch nicht.

Am besten ist es wohl, man setzt mal den Bearbeitungstitel: Allgemeine Massenverblödung. Damit kommt man vorerst sicher allen Beteiligten am nächsten.

Party-Nachspiel gesichert

In einem ersten Schritt werden alle Videobänder des stationären Orwellschen Kamerasystems gesichtet. Nur die wenigsten Krawallanten wird man darauf  identifizieren können. In Zweifelsfällen gehen die Strafbehörden mit dem Material ins Internet und suchen Zeugen, man kann auch sagen: Denunzianten. Ein gewisser Prozentsatz mutmasslich Beteiligter kommt anschliessend zur Anklage unter dem Titel Landfriedensbruch. Dieser Tatbestand ist nach aktueller Rechtsprechung universal: Man kann darunter praktisch alles subsumieren, sogar das Zuschauen oder wie es im volkstümlichen Juristendeutsch der Anklageschriften jeweils heisst: Gaffen. – Der Strafrahmen für Landfriedensbruch liegt zwischen Haft und mehreren Tausend Franken Geldstrafe. Appellieren gegen Schuldsprüche lohnt sich in der Regel nicht, weil die Sanktionen von der höheren Instanz meistens nur heraufgesetzt werden. Aus den Espenmoos- und ähnlichen Fällen ist das ja sattsam bekannt.

Rolle der Medien

Soweit es das Blatt betrifft, welches in der Ostschweiz das Informationsmonopol hat, eine ziemlich unbedarfte. Die aus dem Ruder gelaufene Party am Marktplatz ist in der Berichterstattung ungeniert mit den Globus-Krawallen vor mehr als 40 Jahren verglichen worden. Was für ein Blödsinn. – Aber eben; heutige Journalisten machen zwischen Politik und Botellòn keinen Unterschied mehr. Braucht es auch nicht, wenn lediglich verlangt wird, im Akkord für die verschiedenen Formate Content zu fabrizieren.

Allgemeine Massenverblödung als Fakt

Von allen Seiten hagelt es jetzt zu den Ereignissen am Marktplatz polemische Phrasen, die als alternativlose Wahrheiten über das Vorgefallene daher kommen, sei es von seiten der Polizei, der Partyteilnehmer, der Journalisten, der Leserbriefschreiber und der Parteisprecherinnen. Weit und breit keine kritische politische Einschätzung des soziologischen Phänomens SMS-Party und überreagierende Polizei. Aber ein Wahlthema für den Herbst wird das ganz bestimmt. Eignet sich so herrlich, den Krawall auf anderer Ebene fortzusetzen, wenn es an politischen Programmen fehlt.

Was tun?

Um mal mit dem berühmten Lenin-Wort zu fragen. Hier ein Vorschlag: Die Wettervorhersage verspricht wieder ein paar sommerliche Tage. Also nix wie los in die Freihandbibliothek und Horkheimer, Adorno und Habermas ausleihen und auf Drei Weieren lesen, was die so über Massenkultur im Kapitalismus geschrieben haben. Eine gute Taktik, um Polizeitaktitk und SMS-Partys am Marktplatz bloss zu stellen.