, 5. Dezember 2016
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Alles Rock, alles Retro

Musikalisch haben die acht Finalisten am bandXost-Contest 2016 überzeugt am Samstag, nur: Nach Zukunft hat irgendwie nichts davon geschmeckt.

Die Sieger 2016: Domenic Ende und Ramon Wehrle (Bild: Raphael Müller, bandXost)

Es war ein gutes Fest am Samstagabend in der Grabenhalle. Ausverkauft, energiegeladen und solidarisch. Die erste Band zum Beispiel, The Rule aus Flawil, freute sich riesig über «die geile Stimmung – und die sieben weiteren geilen Bands!». Da konnte man fast vergessen, dass bandXost eigentlich ein Wettbewerb ist. Ähnlich sah es auch der Frontmann von Hielo aus Schaffhausen nach dem letzten Stück: «Vergesst, dass das ein Contest ist! Es ist so ein geiler Abend!».

bandXost-Sieger 2016 sind Catalyst aus St.Gallen. Damit sind die zwei Jungs nun um sechs professionelle Studioaufnahmen, persönliche Coachings und einige Auftritte reicher. Gesamtwert: 8000 Franken. Platz zwei (4000 Franken) ging an Afternoon Daydreams aus dem Rheintal, Platz drei (500 Franken) an Hielo aus Schaffhausen.

Minderjährige Rampensauen

Catalyst machen Grunge, konnte man lernen, Afternoon Daydreams machen Dreampop und Hielo seien die «Meister der harten Riffs». Wobei ich persönlich diesen Titel an The Rule vergeben hätte. Was für Rampensauen! Und noch nicht einmal volljährig. Die Sieger meines unqualifizierten Rankings wären The Harbs aus St.Gallen gewesen. Dieser Drummer. Wow. Really nice Handwerk!

Wie gesagt, ein gelungener Abend, an dem es musikalisch kaum etwas zu meckern gab, ausser hin und wieder ein paar unverständliche Lyrics. Aber, und das soll nicht an die Adresse einer einzelnen Band gehen: Es waren einfach zu viele Gitarren da. (Fast) alles war irgendwie Rock. Oder Grunge. oder Hardrock oder Postpunk oder wie die Subgenres alle heissen. Und zugegeben, ich bin diesbezüglich auch nicht gerade sehr kompetent – aber ich erkenne das Geläufige, wenn ich es höre. Und das waren die Songs allesamt. Geläufig.

Wieso klingt alles wie eine Neuauflage?

Alle Bands sind verdammt gut im Imitieren. Sie klingen wie AC/DC, Billy Talent, Muse oder meinetwegen wie Nirvana. Nur, wo bleibt der eigene Sound? Ich weiss, dass man diese Frage nicht unbedingt im Rahmen eines bandXost-Wettbewerb stellen soll, aber trotzdem: Wo ist der Eigenwille der heutigen Musikgeneration? Oder böser gefragt: Wieso klingt alles wie eine Neuauflage des längst Dagewesenen?

Ich habe wirklich nichts gegen Gitarren. Ich frage mich nur, warum das meiste so tönt wie das, was unsere Eltern (oder mittlerweile Grosseltern) schon gemacht haben. Liegt es daran, dass die Welt auf tendenziell Gehörfälliges steht? Liegt es an dieser elenden, ständig oszillierenden Postpostpostmoderne? Liegt es daran, dass wir, wie unter anderem der britische Musiktheoretiker Mark Fisher sagt, von der Popkultur ohnehin nur noch Retro erwarten können, da das der beherrschende Modus im Geschäft ist? Antworten sind willkommen.

Nach Südafrika schauen

Nochmal, das soll kein Affront gegen die acht bandXost-Finalisten sein. Es sind Fragen von grundsätzlicher Natur und solche, die die heutige Popkultur im Allgemeinen betreffen. Und letzten Samstag haben sie sich nun mal sehr offensichtlich gestellt. Es muss ja nicht gleich Hauntology sein, aber mir fehlt das Neuartige, das Disruptive, das Weltbewegende. Ich würde mir wünschen, dass Popmusik wieder radikaler würde – zukunftsträchtiger.

Vielleicht würde es auch schon reichen, sich mal etwas öfter im Rest der Welt umzuschauen. Auf meine Frage, ob man sich denn überhaupt noch aufregen darf über das ganze Retro-Gedöns, nachdem das Mark Fischer oder auch Simon Reynolds in seinem Buch Retromania bereits zur Genüge getan haben, meinte ein guter Freund nur: «Nach Südafrika schauen – da gibts kein Retro: Wer will schon Apartheid leben? In Südafrika schauen alle nach vorne. Man ist sich selber am finden – und will sich dem Rest der Welt zeigen.»

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