Über die Hoffnung
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An einem Dienstag vor den Weihnachtsferien kam ich zum ersten Mal mit der damals noch kaum existierenden Schweizer Klimastreikbewegung in Kontakt. Am Freitag derselben Woche nahmen ich und etwa 300 andere Schülerinnen und Schüler bereits am ersten Streik der Ostschweiz teil.
Die Bewegung war zu diesem Zeitpunkt ohne jegliche Struktur relativ unübersichtlich, darum wurde noch in den Weihnachtsferien, einen Tag vor Jahresende, zu einem ersten nationalen Koordinationstreffen in Bern eingeladen. Ich war recht beeindruckt, als ich sah, wie viele junge Menschen von überall in der Schweiz nach Bern gereist waren, um diesem Treffen beizuwohnen. Am ersten Freitag nach den Ferien organisierten wir unseren zweiten Streik, bei dem etwa 300 bis 400 Menschen teilnahmen. Eine Woche später dann den dritten Streik mit ähnlich vielen Menschen.
In dieser verhältnismässig kurzen Zeit, vom ersten bis zum dritten Streik, passierte unglaublich viel. Die Bewegung wurde immer stärker und präsenter. Bei der zweiten nationalen Demo am 2. Februar waren wir über 65’000 Menschen auf den Strassen der ganzen Schweiz. In St.Gallen nahmen zu unserer Freude 2000 Menschen jeden Alters teil. Wir waren viele und wir waren verdammt laut!
Was ich damit sagen will: Wir haben bereits viel erreicht. Gut, vielleicht nicht auf politischer Ebene, dieses Publikum ist mit der bürgerlichen Mehrheit aus SVP und FDP im Parlament auch recht schwer für Anliegen der Klimapolitik zu gewinnen. (Obwohl Frau Gössi seit neustem behauptet, mit der FDP einen grüneren Zug fahren zu wollen…) Was wir aber definitiv erreicht haben, ist, dass über uns gesprochen wird. Wir sind nahezu immer und überall präsent. Wir bringen immer mehr Menschen dazu, sich einzusetzen und unseren Kritikerinnen und Kritikern rücken wir immer mehr auf die Pelle.
Auch in meinem näheren Umfeld sind bereits Veränderungen sichtbar, meine Mutter hat sich zum Beispiel wieder Müllsäcke für Plastik gekauft. Oft werde ich auch direkt auf mein Engagement angesprochen, auch von fremden Menschen im Zug, wenn diese die Klimastreik-Sticker auf meinem Cellokasten sehen. Dies sind meist recht amüsante Gespräche, denn entweder sind die Menschen begeistert und haben oft irgendwie den Drang, mir mitteilen zu müssen, was sie denn alles für den Umweltschutz tun, oder sie versuchen mich mit irgendeinem ausgelutschten Scheinargument auf die andere Seite zu ziehen, was ihnen natürlich regelmässig misslingt.
Trotzdem habe ich Angst, sogar grosse Angst vor der Zukunft. Aber durch die Bewegung habe ich nun auch wieder Hoffnung. Hoffnung, dass wir es gemeinsam schaffen können, den Klimawandel zu stoppen. Hoffnung auf die grüne Wende, Hoffnung darauf, dass die Zeit gerade noch reicht. Diese Hoffnung hilft mir, die bedrückende Angst ab und an ein wenig zu vergessen.
Anna Miotto, 2001, besucht die dritte Kantiklasse in Wil und ist Teil des Kollektivs Klimastreik Ostschweiz. Dieser Beitrag erschien im Märzheft von Saiten.