Scheitlins Defizit – Buschors Spardiktat

In der Stadt St. Gallen wird hinter den Kulissen gespart. Einzelne Massnahmen werden geradezu handstreichartig durchgesetzt. Beispielsweise in der Direktion Schule und Sport.
Von  Andreas Kneubühler

Anfangs Woche hat der St. Galler Stadtrat informiert, dass er für 2015 ein Defizit von 8,6 Mio. Franken budgetiert. Verantwortlich dafür ist keine höhere Macht, sondern es waren im Kantonsrat FDP und SVP mit Unterstützung der CVP, die zuerst die Steuersenkungen und dann die Entlastungsprogramme  beschlossen. Stets mit dem Support des St. Galler Stadtpräsidenten, der im Rat sämtlichen Sparpaketen zustimmte. Nun treffen die Massnahmen die Stadt mit jährlich rund 22 Mio. Franken.

Man kann über den Kanton sagen was man will – aber immerhin wurden dort die Sparmassnahmen in einer Botschaft zusammengefasst und dem Parlament vorgelegt. In der Stadt läuft es ein bisschen anders: Dort werden einzelne Budgets hinter den Kulissen zusammengestrichen.

Zur Illustration ein Beispiel aus der Direktion Schule und Sport. Verantwortlicher Stadtrat ist Markus Buschor.

Ende September erfuhren die städtischen Lehrkräfte indirekt – über ihre Schulleitungen -, dass das Budget für Stellvertretungen gekürzt wird. Künftig wird für eine erkrankte Lehrkraft erst am dritten Tag ein Ersatz engagiert. Das bedeutet, dass zwei Tage lang entweder andere Lehrerinnen und Lehrer neben ihrer Klasse eine zweite betreuen oder die Heilpädagoginnen und Heilpädagogen mit ihren teuren Ausbildungen als Springer eingesetzt werden – und deren Lektionen dann halt ausfallen.

Kurz gesagt: Hüten statt unterrichten, beaufsichtigen statt fördern.

Bei der Idee kommen einem Gesamtschulen auf dem Land in den Sinn, wie es sie bis in die 70er-Jahre noch gab: Pausbäckige Schülerinnen und Schüler arbeiten fleissig an ihren Pulten, ab und zu schaut ein Lehrer vorbei und schreibt eine neue Aufgabe auf die Wandtafel.

Dass es in den städtische Schulzimmern etwas anders zu und her geht, dürfte bekannt sein. Vor allem seit die Sonderklassen aufgelöst wurden.

Die jährlichen Einsparungen sollen übrigens 525’000 Franken betragen.

Es ist wohl kein Zufall, dass die Massnahme den Lehrkräften erst knapp vor den Herbstferien mitgeteilt wurde. So blieb ihnen keine Reaktionszeit. Denn die neue Regelung trat rekordverdächtig schnell, bereits rund zehn Tage später auf den 1. Oktober in Kraft. Diskutiert wurde sie mit niemandem. Das Parlament hat dazu offensichtlich nichts zu sagen.

Hinterher, auf den Schulbeginn nach den Herbstferien, verschickte Stadtrat Markus Buschor dann noch ein Informationsschreiben an alle Lehrkräfte. Darin wurden die bereits geltenden Kürzungen bei den Stellvertretungen bestätigt. Zusätzlich wird über eine Reduktion der Fördermittel und andere Einsparungen informiert.

Im Schreiben stehen auch noch ein paar grundsätzliche Sätze zur Sparpolitik:

«Es gibt klare Grenzen, denn man kann nicht zu geringeren Kosten beliebig lange gleich umfassende Leistungen in gesicherter hoher Qualität anbieten», schrieb Buschor.

Und weiter:

«Gerade das Beispiel der Stellvertretungskosten steht exemplarisch für heikle Grenzfragen, die sich auch in Zukunft stellen werden und die gleichermassen aus der finanzpolitischen als auch aus der schulpolitischen Warte heraus zu beurteilen sind.»

Vielleicht sollte man die Sätze nochmals lesen, wenn die nächste Grippewelle anrollt.