Saiten im Januar: Knackpunkt Agglo

St.Gallen und Umgebung. Das ist meine Lieblings-Landkarte, Massstab 1:25’000. Sie umfasst ungefähr das Gebiet, das ich am besten zu kennen glaube, das Gebiet mit St.Gallen mittendrin, kurzerhand «d’Stadt» genannt, und drumherum, zugegebenermassen, noch unzählige weisse Flecken, zum Beispiel Arnegg, warum zum Teufel bin ich in meinem Leben noch nie in Arnegg gewesen? Arnegg muss nachgeholt werden, irgendwann, aber andere weisse Flecken werden weiss bleiben.
St.Gallen und Umgebung. Das ist das Gebiet, das wir uns als Heranwachsende buchstäblich Schritt für Schritt erschlossen haben auf den notorischen Sonntagsausflügen. Zu Fuss über Guggeien-Höchst, Schloss Watt und Steinach an den See, vorzugsweise im Blustfrühling. Oder mit dem Bus ins Bild, damals noch Arenafrei, dann hoch zum Tierli Walter via Schloss Oberberg – immer war irgendwo ein Schloss zu bestaunen. Oder via Ganggelibrücke nach Stein-Hundwil, via Gübsensee nach Herisau. Schliesslich südwärts, der Klassiker: über die Eggen, Vögelinsegg-Waldegg-Schäflisegg, dann hinunter nach Teufen ins Café Spörri.
Ende der Privatnostalgie. Inzwischen sind die einst dörflichen Dörfer näher oder ganz nahe an die Stadt gerückt. Sind zu Pendler-Orten geworden, dem Siedlungs- und Verkehrsdruck ausgesetzt und ihn mitproduzierend, wachsend, unterschiedlich prosperierend. Rund um St.Gallen spielen sich Entwicklungskonflikte ab, Modernisierungs-Zwiespältigkeiten: Wie findet das Stadtland den Anschluss an die Zukunft? Ist diese Zukunft urban, agglomeritisch oder ländlich? Und wie steht es um die dörfliche Identität, die vielleicht längst nur noch eingebildet ist?
Diese Saitenausgabe unternimmt ins neue Jahr hinein eine Bewegung hinaus aus der Stadt ins Umland. Von der Landstadt ins Stadtland. Wie steht es um Fusionsgelüste und Infrastrukturnöte? Um Steuerbelastung und Kulturausgaben? Wie war das vor bald 100 Jahren, als schon einmal Gross-St.Gallen entstand? Wie trinkt es sich by night im Ostschweizer Irgendwo? Wie wurde aus dem Multergassenjunge ein Regio-Freund? Warum ist die Klinikkontroverse von Rehetobel exemplarisch und die Autobahnbrücke über die Goldach symbolträchtig? Überdies haben wir ein paar Ex- und Immernoch-Ostschweizer nach «urbanen» Stellen im Umland gefragt. Und Fotograf Till Forrer erkundet mit seiner Drohnenkamera das Stadtland von oben.
Das Heft soll Auftakt sein für eine Reihe «Saiten fährt ein», die Redaktion und Verlag in den nächsten Monaten planen. Erste Station im Januar ist Wittenbach. Das Ziel heisst: Weg mit den weissen Flecken in St.Gallen und Umgebung.
Peter Surber
Der Inhalt:
Reaktionen & Positionen
Blickwinkel von Tamara Janes
Stadtpunkt von Dani Fels
Redeplatz mit Margrit Bürer
Einspruch von Martin Amstutz
Agglo
Sieben Knackpunkte zur Agglo-Zukunft. Verkehrsprobleme, Hüslischwiz und Steuerprozente.
von René Hornung
Gemeindefusion: Die Stadt würde wollen…
Welches Wachstum wollen wir? Ein Bauprojekt entzweit ein Dorf.
von Peter Surber
Wo sich die Sonne am Nebel reibt
Mit der Drohne auf Bilderjagd.
von Corinne Riedener
Flippern in Amriswil
Im Ausgang von Gossau bis Rorschach.
von Tim Wirth
Die Mitte am Rand
von Sascha Erni, Georg Gatsas, Michael Schürch, Cathrin Caprez
Die schrittweise Verfertigung der Stadt
Entdeckungsreisen mit dem Plastik-Traktor.
von Hans-Ruedi Beck
Eine Brücke ins urbane Dorf
Betrachtungen zur Autobahn am Beispiel Goldach.
von Corina Tobler
Wie «Gross-St.Gallen» entstand
Im Ersten Weltkrieg rückten St.Gallen, Straubenzell und Tablat zusammen.
von Peter Stahlberger
Die Bilder zum Titelthema hat Till Forrer fotografiert.
Umfrage
«Gut politisiertes Kültürmagazin»
Die Auswertung unserer Umfrage vom November-Heft.
von Corinne Riedener
Perspektiven
Flaschenpost von Monika Slamanig aus Klagenfurt
Winterthur
Toggenburg
Appenzell
Rheintal
Stimmrecht von Yonas Gebrehiwet
Kultur
«Das Schlimmste ist die Spaltung der Kulturschaffenden»
Openair-Gründer Freddy «Gagi» Geiger im Interview.
von Peter Surber
Zaghafte Maschine
Das neue Hotel auf der Schwägalp.
von Marcel Bächtiger
Hochfliegende Holzkiste
Die neue Station auf dem Chäserrugg.
von René Hornung
Brillant unperfekt
Das Heimspiel 2015 in St.Gallen.
von Peter Surber
Liechtis Vermächtnis
Bis kurz vor seinem Tod arbeitete Peter Liechti an einem letzten Werk. Dieses wird nun an den Solothurner Filmtagen gezeigt.
von Urs-Peter Zwingli
Familiäre Tiefenbohrung
Der Erstling der Appenzeller Autorin Eva Roth lässt tief blicken.
von Wolfgang Steiger
Nächtelang auf Bilderjagd
Ein Bildband zeigt die besessene Aufnahmetätigkeit des Fotografen Andreas Züst.
von Georg Gatsas
Norient provoziert
Finnischer Metal, kambodschanischer Rock und Pop-Avantgarde: Das Norient Musikfilm-Festival.
von Benedikt Sartorius
Weiss auf schwarz
Abgesang
Kellers Geschichten
Charles Pfahlbauer jr.
Boulevard