Lost in the Supermarket
Für die Migros im umgebauten Neumarkt wurde jeder Winkel ausgenutzt. Es entstand weniger ein Laden als ein Intelligenztest. Einer für Fortgeschrittene.

St.Gallen hat ja nur wenige Wahrzeichen: Kathedrale, roter Platz, Rathausturm.
Und der Neumarkt, dank dem Song von Manuel Stahlberger.
Nur stimmt der Text seit dem Umbau nicht mehr. Stahlbergers Fazit in der «Tagblatt»-Beilage zur Neueröffnung: «Noch nie wurde ein Lied mit soviel Geld zerstört.»
Hier für Nostalgiker: Neumarkt.
Inzwischen ist alles anders: Die Migros hat jeden einzelnen Quadratmeter Fläche ausgenutzt. Vorher gab es neben der Lebensmittelabteilung einen Al Forno, eine Chemische Reinigung, einen Laden mit regelmässigem Räumungsverkauf, eine rustikal eingerichtete Imbissecke sowie einen asiatischen Fastfood.
Nun gibt es nur noch einen riesigen Triple-M-Markt.
Das Problem dabei: Die Ladenfläche ist sehr gross – und verwinkelt angelegt. Die Decke hängt tief, die Übersicht fehlt. Natürlich gibt es keine Wegweiser. Nur das Personal hilft weiter. Wenn man den Kaffeerahm partout nicht findet, wird verständnisvoll geseufzt. Niemand muss sich schämen, wenn man die Sortimentsaufteilung nicht versteht. Das ist normal. Man trifft Bekannte mit dem selben ratlosen Gesicht, das man selber macht. Die Gespräche gleichen sich: Man erzählt sich, wie lange man schon die paar Sachen sucht, die man rasch einkaufen wollte. Und man hört Leuten zu, die fast die gleichen Sätze sagen.
Vielleicht ist der Shop aber auch ein Intelligenztest in 3-D? Falls letzteres zutrifft, hat man ihn wiederholt nicht bestanden.
Die Planer haben weitere Hürden eingebaut: Es gibt einen Eingang, der kein Ausgang ist und einen Ausgang, der kein Eingang ist. In den ersten Tagen stellte die Migros einen Security-Menschen an, der nichts anderes machte, als die Kunden weiterzuwinken: Vom Ausgang, der wie ein Eingang aussah, zum Eingang, den man anschliessend nicht mehr wiederfand.
Auch die Expresskassen wurden abgeschafft. Nun soll man die Produkte selber einscannen, wenn man es eilig hat. Weil das niemand versteht, steht Personal bereit, um den Kunden das Self-Scanning zu erklären, mit dem später Personal eingespart wird.
Nicht nur Manuel Stahlberger hat einen Song über den Neumarkt geschrieben. The Clash vertonten das Problem bereits 1979: