Licht am Ende des Tunnels

Zuest jahrelanger Rechtstreit, dann monatelanger Umbau und schliesslich – Zufall oder göttliche Fügung? – lässt das Kugl genau am Weihnachtstag die Bombe ins Nachtleben platzen: Ab sofort darf im St.Galler Alternativ-Club beim Güterbahnhof wieder in den frühen Morgen gefeiert werden.
Die Lösung ist nach dem endlosen juristischen und medialen Hickhack erstaunlich einfach. Das Kugl-Team hat den Eingang in Fronarbeit auf die Rückseite des Güterbahnhofs, hin zu den Gleisen, verlegt. Dort hören empfindliche Nachbarn nichts mehr von Clubgängern, die vor dem Eingang rauchen und reden.
Der Weg ins «neue» Kugl ist fast versteckt, ein Security in einer selbstgebastelten Plastikzelle zeigt wortlos zur Hausecke. Direkt hinter dem Güterbahnhof beginnt eine Art Tunnel. Links die Mauern des alten Bahngebäudes, rechts zu den Gleisen eine Abdichtung aus weissen LKW-Planen. Das verströmt einen provisorischen, kalten Industrie-Chic, den man etwa in Europas Techno-Hauptstadt Berlin so gerne pflegt.
Vor allem hat es angenehm viel Platz in dem langen Tunnel. Man ist nicht mehr zum Flüstern verdammt wie auf der Vorderseite. Entsprechend entspannt sind auch die Securities, die früher wegen möglichen, existenzbedrohenden Lärmklagen manchmal ruppig durchgriffen.
Die Techno-Schlaufe
In der alten Eingangshalle hat es jetzt eine Hot Dog-Bar, einen Töggelikasten und ein Aquarium-Fumoir. Eine Chillout-Zone, in der vielleicht noch ein paar gammlige Sofas fehlen.
Klar, in einem Club geht es nicht um Sofas und Hot Dogs. Die neuen alten Open-End-Öffnungszeiten machen eine gute Party jedenfalls erst zu dem, was sie ist: Ein Ort, an dem für ein paar Stunden alles möglich scheint. Eine Nacht, in der niemand auf die Uhr schaut. Dieses Gefühl, das wir alle suchen: Dass die Zeit sich zieht, stehenbleibt und Bedeutung verliert.
Dazu passt Techno mit seiner Beat-Endlosschlaufe im Herztakt. In dieser Nacht kommt er vom deutschen DJ-Duo Hanne & Lore die sehr tanzbaren Tech-House auflegen. Die Halle ist gut gefüllt. Dank solchen Partys, die lange dauern und viel Umsatz machen, kann sich das Kugl künftig auch wieder Nischen-Anlässe leisten.
Die lange Nacht steht also auch für mehr Vielfalt.
«Hey easy, Johnny, chills»
Also hoffentlich zeitlos driften und nach etwas steifem Eintanzen in den Techno-Sog eintauchen. Ein bisschen Liebe, viel Beat, farbiges Licht. Keine Lichter, die um 3.15 Uhr klacken und schmerzhaft in die Augen stechen und plötzlich gnadenlos hell zeigen, wie verschwitzt und Scheisse alle (ja, auch du selber) aussehen.
Techno braucht Dunkelheit und die Nacht die Möglichkeit des zeitlich Unbegrenzten.
Aber wird eine Party nach 3 Uhr wirklich besser?
Schwer zu sagen. Um 3.43 Uhr tickt einer aus, zuviel Alk und vielleicht sonst noch etwas, aber das hätte er auch mit der 3-Uhr-Deadline geschafft, weil er dann einfach früher angefangen hätte. Seine Freunde holen ihn runter und bringen ihn nach Hause. «Hey easy, Johnny, chills. Alles guet.»
Der Morgen den ewig Wachen
Zwischendurch ein berühmter Szene-Slogan auf einem T-Shirt, der vielleicht den ganzen Kugl-Konflikt ein bisschen runterbricht:
They call it noise – we call it techno.
Techno bis 6 Uhr braucht Kondition. Trotz des Vorsatzes, der letzte zu sein, den sie mit dem Besen rauskehren müssen, geht es um 5.23 Uhr verschwitzt und leicht euphorisiert durch die verregnete Nacht nach Hause.
Und so gehört das Morgengrauen den ewig Wachen.